Seit Juli 2013 finden zwischen der Europäischen Union und den USA die Verhandlungen über die Inhalte des transatlantischen Freihandels- und Investitionsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) statt. Um das Ziel zu erreichen, den Handel zwischen der USA und der EU zu fördern, ist unter anderem ein bilaterales Schiedsverfahren vorgesehen. Letzteres soll im folgenden Beitrag erörtert werden. Hierzu werden die Grundzüge sowie die Vor- und Nachteile von Schiedsverfahren dargestellt und am Beispiel der Vattenfall-Klagen reflektiert.

Grundzüge des internationalen Investitionsschutzrechts

Die öffentliche Debatte um die TTIP-Verhandlungen problematisiert insbesondere den angestrebten Investorenschutz im Rahmen eines privaten Streitschlichtungsverfahren, dem ISDS (Investor-state-dispute-settlement). Hierbei handelt es sich um ein Streitbeilegungsverfahren, das dem privaten Investor unmittelbare Klagerechte gegen den Staat einräumt, sobald ein Wertverlust seiner Investition infolge staatlichen Handelns eintritt. Ein investierendes Unternehmen aus dem Ausland darf darauf vertrauen, dass zum Investitionszeitpunkt festgesetzte Rahmenbedingungen und Normen nicht im Nachhinein durch staatliches Handeln zu seinen Ungunsten abgeändert werden. Wird von den Standards abgewichen und das investierende Unternehmen erleidet hierdurch einen Schaden, kann es zu den viel umstrittenen Investor-Staats-Klagen kommen. Diese Klagen sind grundsätzlich auf Schadensersatz gerichtet und werden sodann vor internationalen Schiedsgerichten entschieden.

Ermächtigungsgrundlagen für die Schiedsgerichtsbarkeit können bilaterale Investitionsschutz- oder Handelsabkommen sein. Weltweit gibt es ca. 3.100 solcher Abkommen. Die BRD hat bereits 129 bilaterale Investitionsförderungs- und schutzverträge ratifiziert, so viele wie kein anderer Staat. Die EU hingegen ist lediglich durch den Energiecharta-Vertrag an ein Investitionsschutzabkommen gebunden. Die Ermächtigung der EU Investitionsabkommen abzuschließen ergibt sich aus Art. 207 Abs. 1 AUEV. Die Berechtigung der Kommission Verhandlungen zu führen folgt aus Art. 207 Abs. 3 S. 2 AUEV.

Vorteile

Die Vorteile von Schiedsverfahren liegen in der Flexibilität des Verfahrens und den schnellen Entscheidungen, welche aus den fehlenden Instanzenzügen resultieren. Ein vereinheitlichtes Schiedssystem trägt ferner zur Rechtssicherheit und Planbarkeit bei. Investoren müssen sich nicht in jedem Land neu auf die jeweilige Rechtsordnung einstellen. Im Ergebnis sind die Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten grundsätzlich geringer. Der größte Nutzen für die Unternehmen besteht in dem vertraulichen, nicht öffentlichen Verfahren, auf Grund dessen die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden. Dies gilt gleichermaßen für Staatsgeheimnisse. Darüber hinaus ermöglicht das Schiedsverfahren die freie Wahl von Schiedsrichtern mit besonderer Sachkunde, sodass von sachgerechten Entscheidungen auszugehen ist. Jede Partei wählt in der Regel einen Schiedsrichter und ein Dritter wird von einer zuvor festgelegten Institution gestellt. Folglich kann ein Gericht erschaffen werden, welches institutionell mit keiner der beiden Parteien stärker verbunden ist.

Im Rahmen der TTIP-Verhandlungen wird auf ISDS zurückgegriffen, um Investitionstätigkeiten in den Ländern attraktiver zu gestalten, deren Rechtsysteme als korrupt und zeitintensiv gelten. Allerdings lässt sich hiergegen argumentieren, dass sowohl die USA als auch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ausgereifte und korruptionsfreie Rechtssysteme haben, sodass man die Ansicht vertreten kann, ISDS seien nicht notwendig.

Nachteile

Auf der anderen Seite könnte die Rechtsstaatlichkeit durch die ISDS gefährdet sein. So spricht die neue Richtervereinigung (NRV) unter anderem von der Aushöhlung grundlegender Prinzipien. Besagte Grundsätze umfassen die richterliche Unabhängigkeit, die Öffentlichkeit von Verfahren und die Überprüfbarkeit von Entscheidungen.

Eine Gefährdung der Unabhängigkeit internationaler Schiedsgerichte könnte in der Person der Schiedsrichter gesehen werden. Als Schiedsrichter werden regelmäßig wirtschaftsnahe Rechtsanwälte von den Parteien gewählt. Problematisch ist hierbei, dass eben diese Richter oft Großkanzleien angehören, welche wiederum mit Klagen gegen den Staat werben.

Auch ist derzeit die Öffentlichkeit der Verhandlungen in Schiedsverfahren eher eine Ausnahme. Es werden auf der Homepage des ICSID (International Center for the Settlement of Investment Disputes) lediglich die Beteiligten und deren Prozessbevollmächtigte bekannt gegeben. Ebenso werden wichtige Verfahrensschritte, wie die Eröffnung, der Erlass von Zwischenentscheidungen und der Abschluss des Verfahrens mit auszugsweiser rechtlicher Begründung, veröffentlicht. Wichtige Dokumente gelangen nur dann an die Öffentlichkeit, wenn beide Parteien ihr Einverständnis dazu geben. Ein Beiwohnen Dritte zu den Verhandlungen erfordert darüber hinaus, dass der Generalsekretär des ICSID hierüber informiert wird. Soll der gesamte Inhalt des Schiedsspruchs veröffentlicht werden, bedarf es der ausdrücklichen Einwilligung beider Parteien. Fraglich ist, ob die Informationsrechte der Staatsbürger genügend gewahrt werden, da bei der Klage gegen den Gaststaat ein gesteigertes Informationsinteresse der Bevölkerung besteht. Öffentliche Institutionen haben die Aufgabe den Zugang zu diesen Informationen zu gewährleisten, in Deutschland gilt insoweit das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes. Einschränkungen dieser Rechte bedürfen im Allgemeinen einer besonderen Rechtfertigung. Es bleibt abzuwarten, inwieweit im TTIP dieser Konflikt gelöst wird.

Die Überprüfbarkeit von Entscheidungen in den Schiedsverfahren ist bislang nicht gegeben, da keine Instanzenzüge existieren. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung kann sich somit auch nicht herausbilden. Schiedssprüche entfalten sofortige Wirkung und sind nicht vor nationalen Gerichten anfechtbar. Sie sind in allen Vertragsstaaten des New Yorkers Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländlicher Schiedssprüche direkt vollstreckbar. Im Juli 2014 umfasste dieses Übereinkommen insgesamt 150 Vertragsstaaten. Titel, welche mangels Auslandsvermögen des verklagten Staates nicht vollstreckbar sind, können dennoch als positiv in die Bilanz des Unternehmens eingebracht werden.

Die Klagen eröffnen Unternehmen Droh- und Druckmöglichkeiten und es kann davon ausgegangen werden, dass eine Vielzahl von Unternehmen klagen wird, um sich so zusätzliche Einflussmöglichkeiten auf den Regulierungsprozess in der EU zu sichern. Der Einfluss des Investitionsschutzes auf nationale Regulierungsmechanismen wird in den Vattenfall Prozessen deutlich.

Die Vattenfall-Klagen

Die BRD verglich sich im Jahre 2011 mit dem Schwedischen Energiekonzern Vattenfall, nachdem sie auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt wurde. In dem Streit ging es um eine Umweltauflage, welche die Verwendung von Elbwasser für eine Kühlanlage des Konzerns einschränkte. Der Vergleich führte zur Lockerung der Umweltauflage, so dass die BRD schließlich keinen Schadensersatz leisten musste, aber dem Energiekonzern die erforderliche Genehmigung zusprach. An diesem Fall kann man gut erkennen, dass bei Investor-Staat-Schiedsverfahren es zu anderen Ergebnissen als bei innerstaatlichen Verfahren kommen kann. Für den Investitionsschutz ist nur entscheidend, dass die Genehmigung in Aussicht gestellt wurde, unabhängig von der Zulässigkeit ebendieser. Wohingegen für die nationalen Gerichte entscheidend ist, ob Genehmigung gegen nationales Umweltrecht verstößt.

In einem aktuellen Verfahren verklagt Vattenfall die BRD erneut auf Schadensersatz (in Höhe von ca. 4,7 Milliarden Euro), diesmal wegen des Atomausstiegs. Die Besonderheit hierbei ist, dass nur Vattenfall die Möglichkeit zur Klage vor dem internationalen Schiedsgericht hat, obwohl alle Energieversorger in Deutschland gleichsam vom Atomausstieg betroffen sind. Der schwedische Konzern war jedoch der einzige ausländische Investor, der somit eine Klage bei ICSID-Schiedsgericht einreichen konnte. Unabhängig davon reichten Vattenfall und andere große Energieversorger, wie E.on und RWE Verfassungsbeschwerde ein, über welche das Bundesverfassungsgericht noch zu entscheiden hat.

Ausblick – neue Anforderungen in TTIP

Seit der Einführung von Investor-Staats-Schiedsverfahren hat sich die Anzahl der Klagen verzehnfacht. Es besteht die Gefahr, dass bereits gesetzte und erweiterte Standards und Normen wegen drohender Investitionsschutzklagen in ihrer Entwicklung gebremst werden. Wie dem Beitrag zu entnehmen ist, gibt es zwar zahlreiche Nachteile bei ISDS, dennoch bleibt abzuwarten, wie TTIP zukünftig ausgearbeitet wird. Am 27.03.2014 veröffentlichte die EU-Kommission ein Konsultationsdokument, welches 12 Fragekomplexe beinhaltet. Grundsätzlich hält die EU-Kommission an den bestehenden Konzepten zur Investor-Staats-Streitbeilegung fest. Dennoch gesteht die EU-Kommission ein, dass das Verfahren hinsichtlich einiger Punkte überarbeitet werden muss. Insbesondere sollen weitergehende Transparenzregeln implementiert werden. So soll künftig die Veröffentlichung wesentlicher Schriftsätze erfolgen und Dritten, welche nicht selbst Partei des Verfahrens sind, die Möglichkeit zur Stellungnahme eröffnet werden, mittels sogenannten Amicus Curiae-Briefen.