Bis zu 50 Personen stürmen einen REWE Markt, befüllen wahllos Einkaufswagen mit Centartikeln, lassen diese an der Kasse stehen. Es wird ein enormer Stau an den Kassen verursacht. Kunden sind verärgert, Mitarbeiter überfordert und irritiert. Der Initiator ist eine Gewerkschaft: ver.di. Ist das noch rechtens?

Im Jahr 2007 befand sich ver.di mit dem zuständigen Handelsverband im Arbeitskampf, um ihre Interessen in einem neuen Tarifvertrag. Da der Streik durch Einsatz von Leiharbeitnehmern und Aushilfskräften ins Leere lief, sah sich ver.di zu innovativen Mitteln gezwungen. Die Gewerkschaft organisierte per SMS kurzfristig einen Flashmob in einer Filiale des bestreikten Unternehmens. Die Gewerkschaft feiert sich selbstzufrieden, das betroffene Unternehmen klagt auf Unterlassung, um zukünftig solche Aktionen zu unterbinden.

Diese nie dagewesene Variante des gewerkschaftlichen Arbeitskampfes ging bis vor das BAG und mündete letztlich in einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Ob der Flashmob aber ein zulässiges Arbeitskampfmittel darstellt, ist trotz höchstrichterlicher Rechtsprechung äußerst umstritten.

Entscheidung des BAG

Das BAG war der Auffassung, dass eine Flashmob-Aktion im Rahmen eines Arbeitskampfes nicht generell rechtswidrig sei und hielt die Revision des Klägers für unbegründet. Der Flashmob greife zwar in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein. Der Eingriff könne jedoch gerechtfertigt sein. Die Aktionsform stelle eine koalitionsspezifische Betätigung dar und unterfiele damit dem Schutzbereich des Art. 9 III GG. Die Zulässigkeit müsse sich aber nach den Vorgaben der Rechtsordnung richten.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt bei der Beurteilung des Flashmobs das maßgebliche Prinzip dar. Im Hinblick auf die Wahl des Arbeitskampfmittels wird den Gewerkschaften eine Einschätzungsprärogative eigeräumt. Diese können zunächst selbst entscheiden, ob das Arbeitskampfmittel zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet und erforderlich ist. Damit die Maßnahme verhältnismäßig ist, fordert das Gericht, dass die Aktion als gewerkschaftlich getragene und organisierte Maßnahme erkennbar ist. Dann könne sich der Arbeitgeber nämlich durch Gebrauch seines Hausrechts oder eine Betriebsstilllegung gegen die Aktion verteidigen. Das BAG ist der Meinung, dass die Aktion keine unzulässige Betriebsblockade sei, weil die Filiale trotz des Flashmobs zugänglich gewesen und die Aktion nicht auf eine nachhaltige Absperrung gerichtet gewesen sei.

Entscheidung des BVerfG

Das BVerfG hat das Urteil des BAG im März 2014 verfassungsrechtlich gebilligt und somit den Flashmob als neues Arbeitskampfmittel für zulässig erklärt. Die Flashmobaktion fällt in den Schutzbereich des Art. 9 III GG, da diese eine koalitionsspezifische Verhaltensweise darstellt und sich dieser Schutzbereich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen und nicht lediglich auf die bereits anerkannten Arbeitskampfmittel erstreckt. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schaffe einen weiten Handlungsspielraum, der aber durch die Rechtsordnung ausgestaltet werden muss. Strittige Arbeitskampfmaßnahmen müssten deshalb am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen werden, damit bei den Tarifverhandlungen kein Ungleichgewicht entsteht. Die Kriterien anhand derer das BAG die Flashmob-Aktion beurteilt seien nicht zu kritisieren. Deshalb sind Flashmob-Aktionen grundsätzlich verfassungsgemäß. Das BAG beachte in seinem Urteil die Teilnahme Dritter sowie die damit verbundene erhöhte Exzessgefahr in ausreichender Weise und zieht der Teilnahme Dritter rechtliche Grenzen. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Flashmobs habe das BAG auch hinsichtlich der Verteidigungsmittel des Arbeitgebers eine korrekte Abwägung vorgenommen. Daher sieht das BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Flashmob am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemessen, nicht als generell unzulässig beurteilt wurde.

Meinungen

Das Urteil des BAG sowie der Beschluss des BVerfG zum Flashmob sind in der Fachwelt teils auf scharfe Kritik gestoßen und werden kontrovers diskutiert.

Im vorliegenden Fall stellt die Flashmobaktion im Rahmen des Arbeitskampfes eine Verletzung des Schutzrechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs aus § 823 II BGB dar. Dieser Auffassung folgt unter anderem die Rechtsanwältin Dr. Anne-Kathrin Bertke. Die Zulässigkeit des Flashmobs findet also im Deliktsrecht ihre Grenzen und der betroffene Unternehmer wird damit geschützt. Im Einzelfall können diesem gem. §§ 1004, 823 I BGB ein Unterlassungsanspruch und bei Verletzung weiterer Rechte aus § 823 I BGB Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligten zustehen.

Darüber hinaus unterliegt der im Rahmen der Koalitionsfreiheit ausgeübte Flashmob als Arbeitskampfmittel vertragsrechtlichen Beschränkungen. Durch streikbegleitende Flashmobs können Arbeitnehmer ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Auch hier stehen dem betroffenen Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch und bei Vertragsverletzung das Recht zur Abmahnung und Kündigung zu.

Nach Ansicht des BAG steht dem Flashmob als Arbeitskampfmittel eben nicht grundsätzlich das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG entgegen, wenn er als gewerkschaftliche Arbeitskampfmaßnahme erkennbar ist. Die Auswirkungen eines Flashmobs gingen nicht über die Auswirkungen eines Streiks hinaus. Begründet wird dies mit der Möglichkeit des Unternehmens, sich gegen einen Flashmob ausreichend durch die Inanspruchnahme seines Hausrechts oder der Betriebsschließung verteidigen zu können.

Dr. Steffen Krieger und Dr. Jens Günther vertreten die Ansicht, dass eben diese Inanspruchnahme der Verteidigungsmöglichkeiten zu den Auswirkungen des Flashmobs zusätzlich die Spezifika eines Streiks, nämlich die Betriebsblockade und womöglich die nachhaltige Absperrung des Betriebs erzeugt. Die vom BAG angenommene Zugänglichkeit des Betriebes mutiert zur Fiktion. Der Unternehmer kann sich nicht wirksam verteidigen.

Weiterhin vertritt Professor Dr. Volker Rieble die Meinung, dass die Möglichkeit von Straftaten einer Beliebigkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Opfer gefallen ist. Eine dermaßen geartete Störung des Betriebsablaufes könnte, insbesondere durch die Beteiligung Dritter, förmlich zur Plünderung und Diebstahl, auf jeden Fall aber zur Sachbeschädigung einladen. Der so durchaus mögliche gravierende Eingriff in das Eigentum des Unternehmers kann unter keinen Umständen damit abgewiesen werden, dass “lediglich” die Gefahr einer Sachbeschädigung vorliegt. Die Exzessgefahr ist unbeherrschbar und führt so zur Rechtswidrigkeit. Ein Arbeitskampfmittel darf weder Rechtswidrig sein, noch gegen Strafgesetze verstoßen.

Das plötzliche Versammeln von Arbeitnehmern und Dritten auf dem Gelände des Unternehmers mit einer Kundgebung oder ähnlichem, würde keinen erheblichen Eingriff in das Eigentum des Unternehmers darstellen. Die Bewertung dieses spezifischen Flashmobs als verfassungsgemäß ist jedoch in höchstem Maß fraglich und wird kritisch beurteilt.

Die statuierte Verhältnismäßigkeit der Aktion ist wenig nachvollziehbar. Durch die Urteile wird der Handlungsspielraum der Gewerkschaften erweitert und die Verhandlungsparität zu deren Gunsten verschoben.