In seiner Entscheidung vom 19.10.2010 (II ZR 240/08) hatte sich der BGH mit der Frage zu beschäftigen, ob die Gesellschafter sich an der Sanierung einer notleidenden Gesellschaft zu beteiligen oder im Weigerungsfall aus der Gesellschaft auszuscheiden haben. Das Urteil ist insofern richtungsweisend, als bis zu diesem Zeitpunkt einzelne zahlungsunwillige Gesellschafter die komplette Gesellschaft durch Verweigerung von Nachschüssen in die Insolvenz treiben konnten, auch wenn die Mehrheit der Gesellschafter zur Sanierung bereit war.

Sachverhalt

Im Vorfeld dieses Urteils gerieten etliche geschlossene Immobilienfonds auf Grund weggefallener staatlicher Förderung und einer allgemein schwierigen Lage auf dem Vermietungsmarkt in finanzielle Schwierigkeiten. Dieses Schicksal ereilte auch die Klägerin, welche in der Rechtsform der GmbH & Co. OHG organisiert war.
Nachdem die Probleme erkannt wurden, beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin in 2002, die generelle Sanierungsmöglichkeit durch die T-AG prüfen und ggf. ein Sanierungskonzept von dieser ausarbeiten zu lassen. Das von der T-AG daraufhin im August 2002 vorgelegte vorläufige Konzept, stellte eine Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Klägerin fest, bescheinigte jedoch zugleich die Sanierungsfähigkeit. Den Gesellschaftern der Klägerin wurde dieses Konzept mit den darauf basierenden Beschlussvorlagen übersandt, über die in der Gesellschafterversammlung am 19.10.2002 abgestimmt werden sollte.
Mit der gesellschaftsvertraglich vorgesehenen ¾ Mehrheit wurde sodann im Wesentlichen beschlossen, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen, die für die Gesellschafter faktisch eine Nachschusspflicht begründete. Den Gesellschaftern war jedoch freigestellt, sich an dieser Kapitalerhöhung zu beteiligen oder ihrer Nachschusspflicht nicht nachzukommen. Jedoch sollten sie, entsprechend der ebenfalls beschlossenen, dahingehenden Änderung des Gesellschaftsvertrages, im Weigerungsfall automatisch mit Ablauf des 31.12.2003 aus der Gesellschaft ausscheiden.
Zwei der Beklagten stimmten für den Beschluss, die übrigen zwei dagegen. Allen gemein ist jedoch, dass sie sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligten.
Die Klägerin erhob sodann in 2004 Klage und wollte festgestellt wissen, dass die Beklagten zum 31.12.2003 aus der Gesellschaft ausgeschieden und zur Zahlung des jeweils auf sie entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrages verpflichtet seien. Die Beklagten hielten entgegen, noch Gesellschafter zu sein und keiner Zahlungspflicht zu unterliegen. Sie beriefen sich dabei auf § 707 BGB, wonach eine mittelbare Nachschussverpflichtung zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfe.

Entscheidung

Während die Beklagten mit dieser Argumentation in den Vorinstanzen erfolgreich waren, urteilte der BGH im Sinne der Klägerin.
Die Karlsruher Richter entschieden, dass die Beklagten, die den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung zugestimmt hatten, an ihre Zustimmung gebunden seien. Da diese nicht vorgetragen hätten, ihre Zustimmung davon abhängig gemacht zu haben, dass alle Gesellschafter zustimmen, seien die Beschlüsse ihnen gegenüber wirksam.
Die Wirksamkeit der Beschlüsse erstrecke sich jedoch auf die Gesellschafter, die nicht zugestimmt hatten, da sie zur Zustimmung verpflichtet gewesen wären. Dies ergebe sich aus ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht. Zwar sei es grundsätzlich ausgeschlossen, einen Gesellschafter, der den gesellschaftsvertraglich geschuldeten Beitrag geleistet habe, zu weiteren finanziellen Beiträgen zu zwingen, jedoch berücksichtige dies nicht die Interessen der sanierungswilligen Mitgesellschafter. Diesen könne es nicht zugemutet werden, einen etwaigen, von ihnen finanzierten Sanierungserfolg mit solchen Gesellschaftern zu teilen, die dazu nichts beigetragen hätten. Auch sei es nicht hinzunehmen, dass zahlungsunwillige Gesellschafter die ganze Gesellschaft durch ihre Weigerung in die Liquidation treiben könnten, obwohl die Chance zur Sanierung besteht.
Ob die Weigerung der Gesellschafter, weiteres Kapital für die Gesellschaft einzusetzen, auf deren Zahlungsunwilligkeit oder Zahlungsunfähigkeit beruhe, sei bei der Beurteilung hingegen unerheblich. Sie hätten aus der Gesellschaft auszuscheiden und das negative Auseinandersetzungsguthaben sofort auszugleichen (§§ 735, 739 BGB).

Auswirkungen

Das Urteil des BGH lässt eindeutig erkennen, dass Gesellschafter an ihre Zustimmung zu Gesellschaftsbeschlüssen gebunden sind. Weniger eindeutig ist hingegen, unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter auch bei nicht gegebener Zustimmung an die Mehrheitsbeschlüsse gebunden ist – wann sein theoretisch vorhandener Ermessensspielraum bei einer Entscheidung also faktisch auf Null reduziert sein kann.
Vorliegend erkennen die Karlsruher Richter einen Ausnahmefall  von der generell erforderlichen Zustimmung des Gesellschafters zur Nachschusspflicht aus § 707 BGB dann, wenn der zahlungsunwillige Gesellschafter ohne eigenen Beitrag von den Leistungen der anderen Gesellschafter profitiert und die Liquidation der Gesellschaft die einzig mögliche Alternative ist.

Somit ist klar, dass notleidende Gesellschaften fortan nicht mehr durch zahlungsunwillige Gesellschafter in die Insolvenz getrieben werden können. Ferner sollen diese Gesellschafter auch nicht von den Sanierungsanstrengungen der zahlungswilligen Mitgesellschafter profitieren und können ggf. aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Mit den Grenzen der Ausschlussmöglichkeit beschäftigt sich eine spätere Entscheidung des BGH (II ZR 122/09).