Der BGH hat im Juli 2014 über das umstrittene und in der Öffentlichkeit stark diskutierte Suhrkamp-Insolvenzverfahren entschieden. Aus dem Beschluss lässt sich viel über den Minderheitenschutz des Gesellschafters im Schutzschirmverfahren lernen, weshalb er für alle am Insolvenzrecht Interessierten sehr lesenswert ist. Geklärt wird eine verfahrensrechtliche Frage, nämlich diejenige, ob die Beschwerde gegen die Bestätigung des Insolvenzplans (§ 253 InsO) nur möglich ist, wenn zuvor Minderheitenschutz nach § 251 InsO beantragt wurde. Das verneint der BGH. Gleichzeitig stellt er klar, wie zu entscheiden ist, ob ein Betroffener durch einen Insolvenzplan schlechter gestellt wird. Im Ausnahmefall (der bei Suhrkamp gegeben war) darf man nicht davon ausgehen, dass die Beteiligung des Gesellschafters in der Insolvenz ohnehin wertlos sei, eine Schlechterstellung also ausgeschlossen sei. Das ist eine äußerst wichtige Klarstellung.

Zur Vorgeschichte

Der Suhrkamp Verlag, ein bekannter und traditionsreicher Literaturverlag, befand sich in der vergangenen Zeit wegen eines heftigen Gesellschafterstreits in den Schlagzeilen. Die Mehrheitsgesellschafterin, vertreten durch die Witwe Siegfried Unselds, Frau Ulla Berkéwicz, stritt mit dem Minderheitsgesellschafter, vertreten durch Hans Barlach. Man warf sich Treuepflichtverletzungen vor und prozessierte auf verschiedenen Ebenen gegeneinander. Die Streitigkeit gipfelte darin, dass Frau Berkéwicz einen Insolvenzantrag im Schutzschirmverfahren stellte. Es wurde ein Insolvenzplan erarbeitet, der die Umwandlung der GmbH & Co. KG in eine Aktiengesellschaft vorsieht. Vorstand ist nach dem Plan Frau Berkéwicz. Die Aktien sind vinkuliert, können also nicht ohne Zustimmung der Gesellschaft verkauft werden und mittels eines genehmigten Kapitals ist eine Kapitalerhöhung ohne Zustimmung der Gesellschafter möglich. Die Gläubiger der Gesellschaft, insbesondere die Autoren des Suhrkamp Verlages, müssen nach dem Plan keine Einschnitte bei ihren Forderungen hinnehmen, sondern erhalten vollständige Befriedigung. Der Plan ist in der Gläubigerversammlung verabschiedet worden.
Das Verfahren hat intensive Diskussionen über eine eventuelle Missbrauchsanfälligkeit des Insolvenzverfahrens hervorgerufen. Möglich ist der Eingriff in Gesellschafterrechte durch den Insolvenzplan aufgrund von § 225 a InsO, wonach der gestaltende Teil des Insolvenzplans auch alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen enthalten darf.

Zum Verfahrensrecht

Die Bestätigung des Insolvenzplans kann ein Betroffener beim Insolvenzgericht verhindern, wenn er geltend macht, dass er durch den Plan schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde und wenn er schon im Abstimmungstermin gegen den Plan gestimmt hat und diesem widersprochen hat. Dieser so genannte Minderheitenschutz ist in § 251 InsO vorgesehen. Ähnliche Voraussetzungen kennt die InsO für die Beschwerde gegen die Bestätigung des Planes nach § 253 InsO. Auch dafür ist Zulässigkeitsvoraussetzung, dass der Betroffene durch den Plan schlechter gestellt wird und dass er dem Plan widersprochen hat. Wegen des Gleichlauf der beiden Normen haben Stimmen in Literatur und Rechtsprechung verlangt, dass vor einer Beschwerde nach § 253 InsO Minderheitenschutz nach § 251 InsO beantragt wird. So sah auch das Landgericht Berlin die Situation und hat deshalb die Beschwerde des Minderheitsgesellschafters  gegen die Bestätigung des Plans als unzulässig zurückgewiesen: Herr Barlach habe keinen Minderheitenschutz nach § 251 InsO beantragt, was seine Beschwerde unzulässig mache.

Der Bundesgerichtshof stellt nun aber klar, dass diese Überlegung nicht richtig ist: Der Minderheitenschutz ist keine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde gegen die Bestätigung des Plans. Das ist eine wichtige Klarstellung im Interesse des Rechtsschutzes für Planbetroffene.

Schlechterstellung durch den Plan

Noch wichtiger ist die Schlussüberlegung des Bundesgerichtshofs, wenn diese auch nur wenige Zeilen in Anspruch nimmt, weil sie nicht entscheidungserheblich war: Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde ist, dass der Beschwerdeführer durch den Plan nicht schlechter gestellt wird, als er ohne den Insolvenzplan stünde. Normalerweise gelingt es einem Gesellschafter nie, diese Voraussetzung zu erfüllen. Schließlich erhalten die Gesellschafter im Insolvenzverfahren nur dann etwas, wenn alle Gläubiger der Gesellschaft ihre Forderungen zu 100 % befriedigt erhalten haben. Das geschieht normalerweise nicht; wenn die Gläubiger zu 100 % befriedigt werden können, liegt schließlich in der Regel keine Insolvenz vor, es kommt also gar nicht zum Verfahren. Regelmäßig gilt daher für den Gesellschafter, dass ein Plan ihn nicht schlechter stellen kann als der durch das Regelinsolvenzverfahren steht.

Der BGH hat nun klargestellt, dass dies in Ausnahmefällen anders zu sehen ist. Ein solcher Ausnahmefall, in dem die Gläubiger eine volle Befriedigung ihrer Forderungen erlangen, ist im Falle Suhrkamp gegeben. D.h., dass die Gesellschaft in Form der GmbH & Co. KG hätte weitergeführt werden können mit der Folge, dass der Minderheitsgesellschafter seine Beteiligung noch hätte verkaufen und Gesellschafterrechte hätte ausüben können. Durch die Vinkulierung der Aktien nach den Insolvenzplan ist jedenfalls der Verkauf der Beteiligung nicht mehr möglich, was eine Schlechterstellung bedeutet.

Die Schlechterstellung des Planbetroffenen ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Beschwerde. Bejaht man die Schlechterstellung, so kann im Rahmen der Beschwerde die Entscheidung vollständig überprüft werden. Die Beschwerde ist im Falle eines Rechtsfehlers begründet, unabhängig davon, ob der konkrete Fehler den Beschwerdeführer direkt beeinträchtigt.

Missbräuchliches Insolvenzverfahren‘?

Das Verfahren betrifft einen Sonderfall, weil die Gläubiger volle Befriedigung ihrer Forderungen erhalten. Auf die Diskussion, ob das Insolvenzverfahren missbräuchlich eingeleitet wurde, geht der Bundesgerichtshof nicht ein, sie war für ihn nicht entscheidungserheblich. Bedenkt man allerdings, dass Zweck des Insolvenzverfahrens die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung ist, und bedenkt man, dass das Verfahren nur durchgeführt wird, wenn eine vollständige Befriedigungn nicht möglich ist, stellt sich hier die dringende Frage, ob ein Missbrauch des Verfahrens zu bejahen ist. Schließlich wäre die gleichmäßige und vollständige Gläubigerbefriedigung auch ohne den Insolvenzplan möglich gewesen. Diese Frage und auch die Frage nach den Konsequenzen ist nicht beantwortet, die Diskussion darüber also sicher nicht abgeschlossen.