Der europäische Gerichtshof hat am 11. September 2014 eine Entscheidung veröffentlicht, die den Umgang von Hochschulen mit digitalen Kopien betrifft. Es geht darin um das Bereitstellen digitaler Kopien von Büchern, die sich in gedruckter Form in der Bibliothek befinden. Diese dürfen zwar gelesen, aber weder ausgedruckt noch abgespeichert werden. Soll auch diese weitere Vervielfältigung den Bibliotheksbenutzern ermöglicht werden, muss die Bibliothek mit dem Verlag über einen angemessenen finanziellen Ausgleich verhandeln. Eine Darstellung des Inhalts der Entscheidung und die Abgrenzung  Entscheidung des BGH vom November 2013 zum E-Learning soll hier versucht werden.

Sachverhalt

Die Technische Universität Darmstadt hatte ein Lehrbuch zur neueren Geschichte, wie auch andere Bücher, die sich in ihrer Universitätsbibliothek befanden, digitalisiert. Bibliotheksnutzer konnten an eigens zur Verfügung gestellten Terminals das Buch einsehen, ausdrucken oder den Inhalt auf einem USB Stick abspeichern. Dagegen wandte sich der Verlag. Der Rechtsstreit wurde vom Bundesgerichtshof ausgesetzt und im Rahmen eines Vorlageverfahrens dem europäischen Gerichtshof vorgelegt. Dieser hat nunmehr entschieden.

Maßgebliche Regelungen

Die Technische Universität beruft sich auf § 52 b UrhG. Danach dürfen öffentliche Bibliotheken Werke an speziellen Leseplätzen auch digital zur Verfügung stellen, wenn gesichert ist, dass nicht mehr Kopien gleichzeitig verwendet werden, als Exemplare in der Bibliothek vorhanden sind. Die Vorschrift ist eine Umsetzung der Urheberrechts-Harmonisierungsrichtlinie 2001/29/EG, wo eine entsprechende Ausnahme in Art. 5 Abs. 3 n vorgesehen ist.

Gegenstand des Rechtsstreits

Streitig war die richtlinienkonforme Auslegung der urheberrechtlichen Vorschrift. Insbesondere 2 Fragen stellten sich:

  • Gilt der Vorbehalt vertraglicher Regelungen bereits, wenn der Verlag (wie im konkreten Fall geschehen) ein Angebot zur entgeltlichen Gestaltung der entsprechenden Vervielfältigung gemacht hat, dieses aber nicht angenommen wurde? Dieser Auffassung hatte sich der Bundesgerichtshof in seinem Vorlagebeschluss angeschlossen.
  • Wenn das Zurverfügungstellen an Bibliotheksarbeitsplätzen gestattet ist: Umfasst diese Einschränkung des Vervielfältigungsrecht des Urhebers auch das Ausdrucken und Abspeichern? Hier hatte der Bundesgerichtshof in seinem Vorlagebeschluss differenziert und das Ausdrucken für zulässig, das Abspeichern aber für unzulässig gehalten.

Antworten des europäischen Gerichtshofs

Zum Vorbehalt vertraglicher Regelungen stellt sich der europäische Gerichtshof auf die Seite der wohl überwiegenden Meinung. Er stellt klar, dass dieser Vorbehalt erst eintritt, wenn tatsächlich ein Vertrag geschlossen wurde und nicht bereits dann, wenn ein entsprechendes Angebot unterbreitet wurde. Das ist eine Beantwortung der Frage im Sinne der technischen Universität, denn das Vertragsangebot des Verlags konnte damit nicht verhindern, dass die Universität die Texte digitalisiert und an Bildschirmarbeitsplätzen zur Verfügung stellt. Das nutzt der Hochschule aber nur eingeschränkt, denn zur 2. Frage hat der EuGH im Sinne des Verlages entschieden. So hat er klargestellt, dass die Ausnahme vom Vervielfältigungsrecht des Urhebers wirklich nur für das Anfertigen der digitalen Kopie, nicht aber auch für die weitere Vervielfältigung dieser Kopie (also das Abspeichern oder Ausdrucken) gilt. Die Bildschirmarbeitsplätze müssen also so eingestellt werden, dass an ihnen nur das Lesen möglich ist.

Der europäische Gerichtshof verweist sodann auf Art. 5 Abs. 2 Ziff. a) der Richtlinie, wonach für die Gestattung weiterer Vervielfältigungen ein gerechter Ausgleich für den Inhaber des Urheberrechts gefunden werden muss. Hieraus lässt sich entnehmen, dass der Verlag die unentgeltliche Vervielfältigung gerade nicht gestatten muss.

Was ist anders beim E-Learning?

Die Entscheidung ist inhaltlich vergleichbar mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Zurverfügungstellen von Dateien auf einer E-Learning Plattform, über die wir an anderer Stelle in diesem Blog berichtet haben. In beiden Fällen wird ein gerechter Ausgleich für den Rechteinhaber verlangt, wenn die ausnahmsweise erlaubten Nutzungen überschritten werden. Darf nun auch beim E-Learning der vom Dozenten bereitgestellte Text nur noch angesehen, nicht aber auch heruntergeladen werden? Diese Frage ist noch offen.

Es ist aber wichtig sich klarzumachen, dass die beiden Fälle unterschiedlich geregelt sind. Dass kleine Teile eines Werkes nach § 52 a UrhG einer abgeschlossenen Benutzergruppe zur Veranschaulichung im Unterricht zur Verfügung gestellt werden dürfen, beruht auf Art. 5 Abs. 3 a) der Urheberrechtsrichtlinie. Bibliotheksterminals hingegen sind in Art. 5 Absatz 3 n) geregelt. Die Richtlinie spricht bei den Bibliotheksterminals (Artikel 5 Abs.3 n) von einer „Wiedergabe“, bei der Nutzung für Lehrzwecke (Art. 5 Absatz 3a) dagegen von einer „Nutzung“ durch öffentliches Zugänglichmachen. Das schlägt sich auch im Gesetzeswortlaut nieder. § 52 a UrhG erlaubt, kleine Teile des Werkes „öffentlich zugänglich zu machen“. § 52 b UrhG spricht dagegen nur von einem „zugänglich machen“. Es wird spannend sein zu sehen, ob dieser unterschiedliche Wortlaut rechtfertigt, auf E-Learning Plattformen Werke auch zum Download zur Verfügung zu stellen, bei Bibliotheksterminals hingegen nicht.