Bis zum 29.01.2001  wurde der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) keine Rechtsfähigkeit zugesprochen. Eine Klage gegen die GbR selbst war nicht möglich, man musste einen Titel gegen jeden einzelnen Gesellschafter erlangen, um z. B. durch Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Gesellschafter befriedigt werden zu können. Erst durch ein entscheidendes Urteil des BGH vom 29.11.2001 (BGH, II ZR 331/00) wurde die Rechtsfähigkeit der GbR anerkannt. Dadurch kann die GbR nunmehr selbst klagen und verklagt werden und diese Rechtsprechung macht eine Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft möglich.

Mit Urteil vom 29.01.2001 entschied der BGH in einer der wichtigsten Fragen zur Personengesellschaft, der GbR. Es war immer wieder die Frage aufgekommen, ob die GbR im Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründen kann, ohne dabei juristische Person sein zu müssen.

Die GbR ist die Grundform der Gesellschaften. Sie liegt vor, wenn sich mehrere Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen, ohne ein Handelsgewerbe zu betreiben. In der Realität kommt diese Rechtsform meistens im kleingewerblichen Bereich, bei Sozietäten von Ärzten oder Rechtsanwälten und bei Kooperationen mehrerer Unternehmen anlässlich eines gemeinsamen Projekts, wie beispielsweise bei einer Bauwirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft (ARGE) vor. Auch im Fall den der BGH entschieden hat, handelte es sich um eine ARGE.

Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR

Um der Frage der Rechtsfähigkeit der GbR nachzukommen hat der II. Zivilsenat zunächst einmal den historischen Kontext des Aufbaus einer GbR diskutiert. Demnach galt die GbR in der ersten Fassung des BGB als rein schuldrechtliches Verhältnis zwischen den Gesellschaftern. In der zweiten Fassung wurde dann schon ein Gesellschaftsverhältnis als Schuldverhältnis mit „drüber gestülptem Gesamthandsprinzip“ anerkannt. Das Gesamthandsprinzip ist der im BGB (§§ 718, 719, 720) zugrunde gelegte Grundsatz, dass das Vermögen der Gesellschaft vom Privatvermögen der Gesellschafter rechtlich getrennt zu betrachten ist, und die Gesellschafter darüber gemeinschaftlich verfügen können. Nach dieser Auffassung hatte die GbR zunächst einmal eine nach außen beschränkte Rechtssubjektivität.

Vorteile der der GbR als Rechtssubjekt und somit als Träger von Rechten und Pflichten wären zum einen, dass ein Wechsel im Mitgliederbestand der GbR keinen Einfluss mehr hat, auf die bestehenden Rechts- und Schuldverhältnisse. Das heißt also, dass Dauerschuldverhältnisse nicht unwirksam werden, oder neu geschlossen werden müssen.

Außerdem soll die GbR der OHG ähneln, da es sich bei beiden um Personengesellschaften handelt. Der OHG wurde bis dahin aber schon die generelle Rechtssubjektivität zugesprochen und da die Übergänge von einer GbR in eine OHG oft fließend sind, würde die Rechtsfähigkeit der GbR eine bessere Handhabung in der Praxis ermöglichen.

Weiterhin wurde in früheren Urteilen die Insolvenzfähigkeit der GbR schon anerkannt und die GbR somit als Träger der Insolvenzmasse gesehen. Dies möchte der BGH noch bestärken und nimmt es deshalb als gegebenes Argument.

Der Rechtsfähigkeit möglicherweise entgegenstehende Normen

Dem Urteil der Rechtsfähigkeit standen aber auch noch einige Fragen entgegen. So war unklar, ob die Vorschriften zur Vertretungsmacht (§ 714 BGB) bei Rechtsfähigkeit der GbR noch anwendbar sind. Denn grundsätzlich war die Vertretungsmacht nur für die Gesellschafter, nicht aber die Gesellschaft an sich geregelt. Der BGH argumentierte hier, dass die Vorschriften noch aus der ersten Fassung des BGB übernommen wurden und damals noch keine Gesamthand vorgesehen wurde. Der § 714 BGB hätte demnach Lücken, dies wäre hier aber nicht ausschlaggebend.

Weiterhin diskutierte der BGH, ob ein Widerspruch zu den Vorschriften über die Vereine (§§ 21, 22, 54 BGB) bestehen könnte. Der BGH entschied hier, dass die Rechtsfähigkeit der Vereine nicht gleichzusetzen sei mit der Rechtsfähigkeit einer GbR, denn bei der GbR soll die Gesellschaft „als solche“ und nicht wie bei den Vereinen als Gruppe ihrer Mitglieder zu betrachten sein. Außerdem ist in § 14 BGB die Personengesellschaft schon als grundsätzlich rechtsfähig anerkannt, denn OHG, KG und Vorgesellschaften von Aktiengesellschaften sind generell rechtsfähig.

Demnach kommt der BGH zum Schluss dass die GbR Träger von Rechten und Pflichten sein kann und damit können auch die Parteifähigkeit der GbR im Zivilprozess nicht  abgesprochen werden.

Anerkennung der Parteifähigkeit und möglicherweise entgegenstehende Normen

Bis zur Entscheidung des BGH wurde das Modell der Streitgenossenschaft auf die GbR angewendet. Von einer Streitgenossenschaft spricht man, wenn in einem Rechtsstreit auf Klägerseite oder auf Beklagtenseite mehrere Personen beteiligt sind, im Falle der GbR also die Gesellschafter. Nach dem bisher praktizierten Modell lag die Prozessführungsbefugnis hinsichtlich der Forderungen und Verbindlichkeiten der GbR bei den Gesellschaftern in Form der Streitgenossenschaft.

Der BGH zog die Anerkennung der Parteifähigkeit jedoch diesem alten Modell vor, weil die Streitgenossenschaft anderen Regeln bei der Prozessführung unterliegt als sie bei der Vertretung der Gesellschaft nach dem Gesamthandsprinzip gelten. Nach § 62 I ZPO kann die Entscheidung gegenüber allen Streitgenossen nur einheitlich ergehen. Dies wäre noch in Verbindung mit der Gesamthand anwendbar. Nicht mehr mit der Gesamthand zu vereinen wäre jedoch die Anwendung des § 63 ZPO. Demnach müsste jeder Streitgenosse seinen eigenen Prozess führen. Dies würde dem Gesamthandsprinzip völlig entgegenstehen. Manche Gesellschaften haben zudem so viele Mitglieder, dass eine Feststellung der Mitglieder sehr zeitaufwendig wäre und bei häufigen Mitgliederwechseln nicht realisierbar ist. Eine Prozessführung der GbR bei Anwendung der notwendigen Streitgenossenschaft ist also nicht möglich.

Weiterhin führt der BGH aus, dass es Bedenken geben könnte, dass § 736 ZPO der Prozessfähigkeit der GbR entgegenstünde. § 736 ZPO besagt, dass zur Zwangsvollstreckung einer GbR ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich ist.

Aus der Entstehungsgeschichte des § 736 ZPO könne abgeleitet werden, dass der Zweck dieses Paragraphen darin bestünde, dass Gläubiger, die eine Forderung gegen einen einzelnen Gesellschaftern haben, nicht mit einer Vollstreckung aus dem Vermögen der GbR befriedigt werden sollen. Zweck sei also gerade nicht der Ausschluss der Parteifähigkeit.

Ein gegen die Gesamtheit der Gesellschafter als Partei ergangenes Urteil sei gleichzeitig ein Urteil gegen alle einzelnen Gesellschafter. Das Ziel des § 736 ZPO – die Verhinderung einer Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch Gläubiger nur einzelner Gesellschafter -würde bei Anerkennung der Parteifähigkeit mindestens ebenso gut erreicht wie bei Zulassung der Klagen nur gegen einzelne Gesellschafter.

Durch die Anerkennung der Parteifähigkeit würde der § 736 ZPO auch nicht überflüssig werden. Die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen durch Gläubiger sei sowohl mit einem Titel gegen die Gesellschaft als auch mit Titeln gegen die einzelnen Gesellschafter möglich.

Publizität und Auftreten vor Gericht

Der BGH erkennt, dass es schwierig ist, eine GbR ohne Publizität, also ohne jedwede Registrierung, eindeutig zu identifizieren. Insbesondere von außen kann man nicht immer erkennen, ob ein Zusammenschluss mehrerer tatsächlich als GbR organisiert ist. Aber diese fehlende Rechtspublizität hindere die Anerkennung der Parteifähigkeit nicht. Die genannten Probleme wägen nicht so schwer, dass die Anerkennung daran scheitern müsste.

Im Prozess sei es der für den Gesellschafter auftretenden Person zuzumuten, die GbR identifizierbar zu beschreiben und falls tatsächlich keine GbR existiert, sei immer eine natürliche Person vorhanden, die für die etwaigen Kosten aufkomme: Nämlich der Vertreter der Gesellschaft, der den Prozess ausgelöst hat. Für denjenigen, der gegen die GbR klagt, sei es immer ratsam neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter zu verklagen. Eine eventuelle Abweisung der Klage gegen die Gesellschaft gehe nicht gleichzeitig mit der Abweisung der Klagen gegen die Gesellschafter einher. Zudem blieben noch Titel gegen die Gesellschafter, falls bei der Zwangsvollstreckung kein Gesellschaftsvermögen vorhanden sein sollte.

Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GbR

Zuletzt merkt der BGH noch an, dass durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR auch die Konsequenz gezogen werden müsse, dass die Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten gem. §§ 128 f. HGB analog haften. Erst in einem späteren, weiteren interessanten Urteil (BGH, Urteil vom 7. 4. 2003 – II ZR 56/02) wird die analoge Anwendung der §§ 128 f. HGB genauer betrachtet.

Bedeutung des Urteils

Mit all diesen genannten Gründen kommt der BGH zum Schluss, der GbR Rechtsfähigkeit zuzusprechen, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechten und Pflichten begründet. In diesem Rahmen ist die GbR zugleich prozessfähig. Durch diese Grundsatzentscheidung zur Rechtsfähigkeit der GbR ergaben sich auch weit reichende Konsequenzen: Die GbR ist rechtsfähige Personengesellschaft und kann damit Rechtspositionen wie beispielsweise Eigentum erwerben und Verbindlichkeiten eingehen.  Die Anerkennung der damit einhergehenden Prozessfähigkeit machte es möglich, die GbR selbst auch verklagen zu können und brachte zudem prozessuale Erleichterungen mit sich.