In seinem Urteil vom 24. November 2003 beschäftigt sich der BGH mit der Gewährung von Krediten der Gesellschaft an ihre Gesellschafter. In wieweit sind solche Darlehen zulässig? Und in welchem Zusammenhang steht dies mit Cash-Pooling? Im Ergebnis sind Gesellschafterdarlehen aus dem gebundenem Vermögen der Gesellschaft auch bei vollwertigem Rückzahlungsanspruch eine verbotene Auszahlung. Der BGH verschärfte mit diesem Urteil die Kapitalerhaltungsregeln der GmbH zum Schutz der Gläubiger, was entscheidende Auswirkungen auf Cash-Pooling Systeme mit sich bringt. Anhand des Novemberurteils wird deutlich, wieso die Einführung einer kleinteiligen Sonderregelung in den §§ 19 und 30 GmbHG notwendig war.
Was ist passiert?
Am 4. Dezember 1990 gründeten A und B die P-GmbH, eine Immobiliengesellschaft, wobei A mit 45.000 DM und B mit 5.000 DM beteiligt war. A übergibt seinen Geschäftsanteil sofort treuhänderisch an seine Ehefrau E. B und E sind alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH. Zwischen dem 11. Oktober 1994 und dem 9. November 1994 räumt die Gesellschaft dem A zwei Darlehen in Höhe von insgesamt 850.000 DM ein. Auch B erhielt am 11. Oktober einen Kredit in Höhe von 150.000 DM. Am 4.3.1997 wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P-GmbH eröffnet.
Welche Konsequenzen hat das für…
…B?
Bei der Darlehensgewährung an Geschäftsführer B stellt sich die Rechtslage am eindeutigsten dar. § 43 a GmbHG untersagt uneingeschränkt die Kreditvergabe aus dem gebundenem Vermögen der Gesellschaft an Geschäftsführer und ihnen gleichgestellte Personen, d.h. auch wenn ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch besteht. Ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch besteht, wenn er jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung jederzeit fällig gestellt werden kann. B hat sein Darlehen in Höhe von 150.000 DM daher an die P-GmbH zurückzuzahlen.
…A?
Bei A wird es schon komplizierter. Er war zum Zeitpunkt der Kreditvergabe nicht selbst Gesellschafter, aber seine Ehefrau E hat seinen Anteil für ihn treuhänderisch gehalten. Damit ist er als mittelbarer Gesellschafter zu behandeln. Der bei B einschlägige § 43 a GmbH darf hier nicht angewendet werden, da der Gesellschafter ausdrücklich nicht aufgezählt wurde. Doch hier greift § 30 I GmbH ein, der die Auszahlung an Gesellschafter aus dem gebundenen Vermögen (auch hier hilft kein vollwertiger Rückzahlungsanspruch) verbietet.
Sinn und Zweck des § 30 GmbH ist es das Vermögen der GmbH bis zur Höhe des Stammkapitals (im Fall der P-GmbH 50.000 DM) zu schützen, da es als Befriedigungsreserve für die Gläubiger im Insolvenzfall fungiert. Trotz dem Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag verschlechtert sich die Vermögenslage der Gesellschaft durch die Auszahlung und damit auch die Befriedigungsaussichten der Gläubiger, da eine solche Forderung nicht sofort realisierbar ist.
Die ihm zugeflossenen 850.000 DM hat A nach § 31 GmbH der Gesellschaft zurückzuzahlen.
…E?
E, die behauptet nichts von den Auszahlungen gewusst zu haben, da sie eigentlich „nur auf dem Papier“ Geschäftsführerin gewesen sei, handelt trotzdem rechtswidrig. Sie hätte durch geeignete Kontrollmaßnahmen die Auszahlungen erkennen und verhindern müssen. Auch wer sich nur formell auf die Funktion des Geschäftsführers einlässt, muss den Pflichten eines ordentlichen Geschäftsführers ohne Einschränkungen nachkommen. Grundsätzlich sind Geschäftsführer an die Weisungen der Gesellschafter gebunden. Doch auch wenn A und B sie zu der Auszahlung angewiesen hätten, wäre diese Anweisung rechtswidrig und E damit nicht an sie gebunden gewesen.
Welche Folgen hatte das Urteil?
Die Kapitalerhaltungsregelungen der GmbH wurden durch den BGH also verschärft, um den Schutz der Gläubiger auszubauen. So sollte der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der realen Kapitalaufbringung auch im Cash-Pool-System gelten. Die Kapitalaufbringung für eine Gesellschaft im Cash-Pooling-System wurde also erschwert bzw verhindert, indem der BGH den GmbH-Gesellschaftern § 19 GmbHG als Konsequenz androhte. Desweiteren bestand die Möglichkeit der Schadensersatzpflicht für Geschäftsführer aus §43 GmbHG.
Am 1. November 2008 trat dann als Konsequenz des Novemberurteils das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen in Kraft. Demnach wird das Cash-Pooling ausdrücklich gebilligt. Hierfür muss ein vollwertiger Rückgewähranspruch der Tochtergesellschaft vorliegen, gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Ist der Rückgewähranspruch der Gesellschaft vollwertig und liquide, so ist es auch zulässig, dass die durch den Gesellschafter geleisteten Einlagen durch die Tochtergesellschaft wieder zurückgezahlt werden.
Das Novemberurteil hat vorrangig noch rechtsgeschichtliche Bedeutung, da sich mittels der Entscheidung erklären lässt, weshalb eine Präzisierung der §§ 30 und 19 GmbHG von Bedeutung war.