Die einen werten es als Zivilcourage. Für die anderen sind es Nestbeschmutzer. Das Aufdecken von Skandalen, ob in Unternehmen oder auf Regierungsebene, ist ein brisantes Thema und erfreut sich einer immer stärkeren Medienpräsenz. Die Rede ist von Whistleblowing.

Der ursprünglich aus dem Englischen stammende Begriff hat es mittlerweile bis in die deutsche Sprache geschafft und ziert sogar eine ganze Seite im Duden. Erläutert wird dieser Anglizismus mit einer Person, die Missstände an ihrem Arbeitsplatz öffentlich macht. Gemeint damit sind Gesetzesverstöße, Korruptionsfälle oder unethisches Verhalten, die in der Regel von Insidern aufgedeckt werden. Doch das Enthüllen von hochbrisanten Informationen hat seinen Preis. Für viele Whistleblower mündet ihr rechtschaffenes Verhalten nicht selten in eine Kündigung und folglich in die Arbeitslosigkeit. Die Betroffenen können dem nur wenig entgegensetzen. Die jüngsten Gerichtsurteile aus dem Bereich Whistleblowing zeichnen sich eher durch einen arbeitgeberfreundlichen Inhalt aus.

Grundsätzlich stehen Arbeitnehmer vor einem großen Problem, wenn sie von unrechtmäßigen Handlungen in ihren Unternehmen mitbekommen. Dann nämlich stellt sich für jeden Arbeitnehmer die Frage, wie die angemessene Reaktion aussehen könnte. Macht eine Strafanzeige Sinn oder ist vielmehr Schweigen in solchen Fällen die beste Lösung. Verbunden sind diese Fragen mit der berechtigten Befürchtung, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren. Aus arbeitsrechtlicher Sicht kristallisieren sich in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Fragen heraus: Was kann man tun, wenn Gesetzesverstöße im Betrieb auftreten und welche rechtlichen Konsequenzen hätte dies für das Arbeitsverhältnis?

Das bekannte „Heinisch-Urteil“ aus dem Jahr 2011 illustriert deutlich, wie schwer es Hinweisgeber besonders in deutschen Unternehmen haben. Nachdem Brigitte Heinisch, die als Altenpflegerin für den Berliner Klinikkonzern Vivantes tätig war, erfolglos ihren Arbeitgeber auf Pflegemängel aufmerksam machte, erstattete sie gegen ihn Strafanzeige. Das Ergebnis: Das Pflegeheim kündigte Frau Heinisch fristlos. Die Versuche sich gegen diese Kündigung zu wehren schlugen alle fehl. Brigitte Heinisch trat schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und bekam am Ende recht. Sie wurde mit einer Summe in Höhe von 15.000 Euro entschädigt (EGMR, Urteil vom 21.07.2011, 28274/08 – Heinisch).

Gesetzesverstöße im Betrieb – Strafanzeige, ja oder nein?

Die Rechtsprechung unterscheidet zunächst zwischen einer Straftat und einem Verstoß gegen firmeninterne Ethikrichtlinien. Denn je nachdem ob der Missstand eine Straftat darstellt oder nicht, entscheidet das weitere Vorgehen des Arbeitnehmers. Handelt es sich eher um ein unethisches Verhalten, so verlangt die Rechtsprechung zu aller erst ein innerbetriebliches Gespräch zu suchen, um den Arbeitgeber auf die Missstände aufmerksam zu machen. Mit dem sofortigen Gang zur Polizei oder an die Öffentlichkeit, verstößt der Arbeitnehmer gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten, zu denen die Wahrung der geschäftlichen Interessen des Unternehmens und die Rücksicht auf den Ruf des Arbeitgebers gehört.

Liegt dagegen eine Straftat vor, so hat der Arbeitnehmer prinzipiell das Recht Strafanzeige zu erstatten. Allerdings mahnen die Arbeitsgerichte auch hier, das betriebsinterne Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Denn durch eine leichtfertige Strafanzeige riskiert der Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) in Köln, dass bei Strafanzeigen, deren Vorwürfe zuvor nicht überprüft wurden, eine Kündigung zur Konsequenz haben können. Hintergrund war ein Streitfall, bei dem ein alkoholisierter Jugendlicher die Sicherheitseinrichtung eines Busses während der Fahrt betätigte und dabei ums Leben kam. Ein Busfahrer des Unternehmens teilte später der Staatsanwaltschaft mit, dass der Jugendliche noch am Leben wäre. Laut der Information eines weiteren Kollegen wurde eine Schaltung im Bus entfernt, die den Bus bei seiner Betätigung zum stehen hätte bringen können. Diese Information stellte sich später als falsch heraus, womit der „Whistleblower“ fristlos gekündigt wurde und auch bei der Kündigungsschutzklage keinen Erfolg verbuchte (LAG Köln, Urteil vom 02.02.2012, 6 Sa 304/11).

Whistleblower schützen, aber wie?

Dieser Fall wie auch das „Heinisch-Urteil“ zeigen auf besondere Weise, dass die aktuelle Rechtsprechung eher arbeitgeberfreundlich ist. Andererseits hat vor allem das „Heinisch-Urteil“ die Öffentlichkeit zumindest für mehr Schutz von Hinweisgebern sensibilisiert. Der Ruf nach dem deutschen Gesetzgeber, die rechtliche Stellung von Whistleblowern zu stärken wird zunehmend lauter.

In diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2012 von der SPD ein Gesetzesentwurf zum Schutz von Hinweisgebern eingereicht. Obwohl der Inhalt dieses Gesetzesentwurfs im ersten Augenblick sehr hoffnungsvoll erscheint, zeigen sich bei näherer Betrachtung zweifel auf, inwieweit dadurch die rechtliche Stellung von Whistleblowern tatsächlich verbessert werden kann. Zwar sieht der Gesetzesentwurf vor, dass Arbeitnehmer bei betrieblichen Missständen künftig das Recht haben „sofort eine externe Stelle“ aufzusuchen ohne zuvor das innerbetriebliche Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Dies gilt jedoch nur, wenn die „sofortige“ Anzeige nicht „leichtfertig“ ergangen ist (§ 2 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1 HinwGebSchG-Entwurf).

Außerdem erscheint auch das Kündigungsverbot zunächst als recht arbeitnehmerfreundlich. Gemäß § 4 Abs.1 S. 3 HinwGebSchG sind „Kündigungen auf Grund rechtmäßiger Hinweise…“ ausgeschlossen. Dieses Kündigungsverbot muss allerdings in Verbindung mit § 6 Abs. 3 betrachtet werden, wonach der Hinweisgeber nicht leichtfertig gehandelt haben darf. Letztlich ergibt sich aus diesem Gesetzesentwurf nicht viel mehr, als die Rechtsprechung bereits bekannt gab. Daher lehnte die Bundesregierung diesen Vorschlag mit der Begründung ab, die aktuelle Rechtslage wäre ausreichend.

Neben der Gesetzgebung stellen die Betriebsräte eine weitere Möglichkeit, die Whistleblower besser zu schützen. Denn nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Ethikrichtlinien einführt, ändert oder aufhebt. Laut Bundesarbeitsgericht (BAG) liegt ein Mitbestimmungsrecht nur in jenen Fällen vor, in denen Ethikrichtlinien das sogenannte Ordnungsverhalten betreffen. Mit anderen Worten sind hiermit das betriebliche Zusammenleben und das Zusammenwirken der Arbeitnehmer gemeint. Wird durch die Ethikrichtlinien das „Arbeitsverhalten“ konkretisiert, wie zum Beispiel die vertraglich geschuldete Arbeitspflicht, so entfällt das Mitbestimmungsrecht für die Betriebsräte.

Die Rolle der Unternehmen

Man muss wohl damit rechnen, dass sich die Gesetzeslage in absehbarer Zeit nicht zu Gunsten der Whistleblower ändern wird. Dennoch gibt es Wege dieses Problem anderweitig zu bewältigen. In erster Linie können Unternehmen ihren Beitrag hierzu leisten, indem sie Whistleblowing nicht sofort als rufzerstörendes Problem wahrnehmen, sondern als Chance innerbetriebliche Missstände adäquat zu beseitigen. Bevor brisante Informationen an die Öffentlichkeit kommen oder die Staatsanwaltschaft an die Tür des Arbeitgebers klopft, wäre eine interne Lösung für alle Beteiligten vorteilhafter. Diesen Schritt haben bereits mehrere deutsche Unternehmen beschritten und im Rahmen ihres Compliance-Systems eine Art Whistleblowing-Plattform eingeführt. Ziel ist es, eine Anlaufstelle für Hinweisgeber einzurichten, an die sich Mitarbeiter anonym wenden können. Doch vorerst bleibt Whistleblowing in Deutschland eine eher riskante Tugend.