In Deutschland absolvieren jährlich mehrere Millionen junger Menschen ein Praktikum, ob entgeltlich oder unentgeltlich spielt dabei keine Rolle. Fakt ist, sie machen es aus den unterschiedlichsten Gründen, sei es freiwillig oder verpflichtend im Rahmen ihrer Schul- oder Hochschulausbildung. Fast jeder junge Mensch ist bereits einmal in den Genuss gekommen, ein Praktikum zu absolvieren und weis, wie es sich anfühlt als: „Das ist unser neuer Praktikant/in“ vorgestellt zu werden. Dabei kann es vorkommen, dass die Praktikanten untereinander eine unterschiedliche Behandlung erfahren müssen. An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum sich für Freiwillige- und Pflichtpraktikanten rechtlich zwei unterschiedliche Welten ergeben, wenn doch alle Praktikanten die gleichen Arbeitsleistungen erbringen?Um diese Frage zu klären, muss zunächst erläutert werden, wie der Begriff Praktikumsrecht definiert werden kann und um was für eine Praktikumsart es sich handelt.
Was versteht man unter dem Begriff Praktikumsrecht?
Im Allgemeinen versteht man unter dem Begriff Praktikumsrecht das Recht zwischen dem Praktikumsgeber und dem Praktikanten. Die Grundlage hierfür stellt der Praktikumsvertrag zwischen beiden Parteien dar, da es bisher kein eigenes Praktikumsrecht gibt und folglich eine Legaldefinition nicht existiert. Bis heute versucht man jedoch, einen sozialen Ausgleich durch die rechtlichen Regelungen aus den Arbeitsgesetzen zu schaffen. Von großer Bedeutung sind hierbei neben dem geschlossenen Praktikumsvertrag Urteile von Arbeitsgerichten, um mehr Klarheit für Rechte und Pflichten zu schaffen.
Wie ist es also möglich, dass man von zwei rechtlich unterschiedlichen Praktikawelten sprechen kann?
Diese Frage lässt sich schlicht und einfach damit beantworten, dass man bei einem Praktikum bis heute ganz allgemein zunächst zwischen Pflicht- und freiwilligen Praktika unterscheiden muss.
Bei einem freiwilligen Praktika handelt es sich, wie der Name schon verrät, um ein Praktikum welches freiwillig erbracht wird. Das kann beispielsweise vor oder nach dem Studium oder aber auch in den Ferien absolviert werden. Bei dieser Praktikumsart besteht kein Schul- oder Hochschulbezug, sondern ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Parteien. Gem. § 26, § 10 Berufsbildungsgesetz (BBiG) fallen diese Praktikanten grundsätzlich unter das Arbeitsrecht und werden wie Auszubildende behandelt.
Anders dagegen ist ein Pflichtpraktika von der Schule oder Hochschule gesetzlich vorgeschrieben und dient zur Ergänzung der theoretischen Ausbildung. Hier wurde im Grundsatzurteil vom 19.06.1974 durch den Bundesgerichtshof (BGH) deutlich klargestellt, dass das BBiG keine Anwendung findet. Folglich ergeben sich für den Pflichtpraktikanten Rechte und Pflichten lediglich aus dem geschlossenen Praktikumsvertrag, sowie aus der Schul- bzw. der Studienordnung des jeweiligen Bundeslandes und den Landesgesetzen.
Worin bestehen die Vor- und Nachteile der einzelnen Praktikumsarten?
Zwischen dem Praktikumsgeber und dem Praktikanten gibt es verschiedene Möglichkeiten ein Praktikumsverhältnis zu vereinbaren, woraus sich Vor- und Nachteile ergeben.
Betrachtet man zunächst freiwillige Praktika, ergibt sich, dass zwischen den Parteien ein gesetzliches Arbeitsverhältnis entsteht. Dieses gesetzliche Arbeitsverhältnis hat den Vorteil, dass die Arbeitsgesetze, arbeitsrechtliche Grundlagen sowie Regelungen aus dem Praktikumsvertrag Anwendung finden. Weitere Vorteile für den freiwilligen Praktikanten ergeben sich im Bezug auf den Vergütungsanspruch gem. § 26 i.V.m. § 17 I S.1 BBiG (siehe hierzu auch Urteil vom LAG Ba-Wü, 08.02.2008) und dem gesetzlichen Anspruch auf Mindesturlaub. Des Weiteren besteht für den Praktikanten ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gem. § 26 und § 10 BBiG i.V.m. § 3 EntgFG sowie ein Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis bei Austritt.
Ein Nachteil, einen freiwilligen Praktikanten einzustellen, ergibt sich aus den Sozialversicherungsgesetzen. Ob und in welchem Umfang eine Sozialversicherungspflicht besteht, entscheiden nämlich die gesetzlichen Bestimmungen und nicht die Parteien selbst. Der Praktikumsgeber hat für einen freiwilligen Praktikanten Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abzuführen, d.h. darunter zählen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, sowie Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge und Beiträge zur Unfallversicherung. Die Sozialversicherungsbeiträge sind für den Unternehmer versicherungspflichtig, soweit keine geringfügige oder kurzfristige Beschäftigung vorliegt.
Eine andere Behandlung im Bezug auf die Vor- und Nachteile erfahren dagegen Pflichtpraktikanten, da durch den BGH im Jahr 1974 klargestellt wurde, dass das BBiG keine Anwendung findet.
Ein Vorteil, einen Pflichtpraktikanten im Unternehmen einzustellen ergibt sich hier im Sozialversicherungsrecht. Dieses regelt, dass die Kranken- und Pflegeversicherung für den Praktikumsgeber versicherungsfrei ist, da der Pflichtpraktikant als Student versichert bleibt. Auch im Bezug auf die Renten- und Arbeitslosenversicherung, sowie die Unfallversicherung kann der Praktikumsgeber an dieser Stelle Geld sparen, da auch hier keine Versicherungspflicht besteht und für die Unfallversicherung die gesetzliche Versicherung der Schule oder Hochschule eintritt.
Dieser Praktikumsart stehen jedoch auch gewisse Nachteile gegenüber. Bei Pflichtpraktikanten ist es rechtlich der Fall, dass sie keinen Schutz durch das Arbeitsrecht genießen können. Für diese Praktikanten gilt lediglich der Praktikumsvertrag, sowie das Schul- oder Hochschulrecht des jeweiligen Bundeslandes und den Landesgesetzen. Auch im Bezug auf den Vergütungsanspruch, den Urlaubsanspruch und den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ergeben sich Nachteile, da hier keine gesetzlichen Regelungen Anwendung finden. Es kann jedoch angemerkt werden, dass heutzutage die meisten Unternehmen auch den Pflichtpraktikanten Leistungen einräumen, um einen Ausgleich zu freiwilligen Praktikanten zu schaffen. Ergänzend lässt sich in dem Zusammenhang auch noch hinzufügen, dass Pflichtpraktikenten bei Beendigung eines Praktika lediglich einen Anspruch auf eine Praktikumsbescheinigung haben, nicht jedoch einen Anspruch auf ein schriftlich qualifiziertes Praktikumszeugnis. Dieses kann lediglich auf freiwilliger Basis durch den Praktikumsgeber ausgestellt werden (siehe hierzu auch Urteil vom LAG Hamm, 02.09.2013).
Anhand der dargestellten Vor- und Nachteile der einzelnen Praktikumsarten stellt sich die Frage:
Inwieweit lässt sich also eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, wenn doch alle Praktikanten die gleichen Arbeitsleistungen erbringen?
Diese Problematik beschäftigt schon seit längerer Zeit nicht nur die Praktikanten selbst, nein, auch der Bundesgesetzgeber muss sich diesem Problem stellen.
Durch das Grundsatzurteil von 1974 wurde der Maßstab für den rechtlichen Unterschied zwischen Pflicht- und freiwilligen Praktika geregelt, an welches die Rechtsprechung bis heute festhält. Fraglich ist jedoch, warum es keine einheitlichen Regelungen für alle Praktikanten gibt. Gründe einer Ungleichbehandlung ergeben sich bereits aus dem Vergütungsanspruch, dem Urlaubsanspruch sowie dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Diese rechtliche Unterscheidung kann nicht richtig sein, da sich bedeutende Rechtsfolgen für den Pflichtpraktikanten zum Nachteil ergeben. Auch muss an dieser Stelle noch angemerkt werden, dass diese Praktikanten die größere Gruppe bilden und die bisherigen Regelungen sehr beunruhigend sind.
Gegen diese Ungleichbehandlung spricht schon allein, dass bei Stellenausschreibungen keine Unterscheidung gemacht wird, dass alle Praktikanten das gleiche Ziel im Praktikum verfolgen, den gleichen Tätigkeitseinsatz haben und der tägliche Zeitaufwand identisch ist.
Abschließend lässt sich sagen, dass diese Ungleichbehandlung behoben werden muss, da die tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Praktikumsarten so bedeutend sind, dass diese eine Trennung nicht rechtfertigen. Der Bundesgesetzgeber sollte daher ein eigenes Praktikumsrecht erlassen, oder eine Gesetzesänderung des § 26 BBiG vornehmen, damit alle Praktikumsarten gleichbehandelt werden. Nur so könnten alle Praktikanten arbeitsrechtlichen Schutz bekommen und vor sozialen Missständen geschützt werden.
(Dieser Artikel wurde von Juliane & Theresa Heide im Juni 2014 verfasst.)
Ich unterstütze die Meinung des Autors, dass es ein einheitliches Praktikumsrecht geben sollte. Die Unterscheidung zwischen Pflichtpraktika und freiwilligen Praktika erachte ich als nicht sinnvoll. Die Tätigkeiten der beiden Gruppen werden innerhalb eines Unternehmens grundsätzlich nicht unterschieden. Der Verdienst der beiden Gruppen ist üblicherweise ebenfalls gleich hoch bzw. gering. Während es oftmals für Pflichtpraktikanten schwierig wird, sich von diesem Gehalt eine Unterkunft und Verpflegung zu leisten, wird dieses Problem bei freiwilligen Praktikanten durch Sozialversicherungsabzüge erschwert.
Ab 2015 werden freiwillige Praktikanten mit einer Praktikumsdauer von mehr als 3 Monaten den Mindestlohn erhalten, während Pflichtpraktikanten nicht unter die gesetzlichen Regelungen des Mindestlohns fallen. Aufgrund dieser Unterscheidung werden die bereits jetzt sehr raren freiwilligen Praktikumsstellen weiter reduziert werden und überwiegend nur noch Pflichtpraktikanten eingestellt werden. Für die eine Partei wird mithin die Bezahlung angemessen sein, sie werden hingegen kaum Praktikumsstellen finden, während die andere Partei Praktikumsplätze finden wird, jedoch zu einer schlechten Bezahlung.
Ich gehe mal davon aus, dass sich die Diskussion am Ende um die Finanziellen Unterschiede der beiden Praktikantengruppen im Hinblick auf das hier nicht genannte MiLoG dreht.
Ich kann mich weder den Verfassern des Artikels, noch meiner Vorrednerin anschließen, da sich m.E. genügend Gründe für eine Ungleichbehandlung im Rahmen des MiLoG erkennen lassen.
Für die Pflichtpraktikanten erschließt sich schon nicht die Notwendigkeit der Beteiligung am Mindestlohn, da die eine Hälfte Schüler sind und die andere Hälfte Studenten.
Die Vergütung der „Leistung“ von Schülern ist aufgrund der begrenzten Leistungsfähigkeit abwegig.
Die Praktikumszeit von Studenten ist allein durch die möglicherweise an drei Monate grenzende, diese aber nur in seltenen Fällen überschreitende Dauer der vorlesungsfreien Zeit begrenzt. Dies entspricht in etwa der Zeit, in der auch freiwillige Praktikanten keinen Mindestlohn erhalten.
Für Praktikumssemester sollten sich Studenten größere Unternehmen suchen, die auch die Kapazitäten aufweisen, Wissen und Einblicke zu vermitteln und daher die Praktikanten nicht als billige Arbeitskräfte für simple Aufgaben missbrauchen; diese Unternehmen werden in der Regel auch eine angemessene Vergütung im Bereich des Mindestlohns entrichten.
Der Gesetzgeber hat bei der Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns an freiwillige Praktikanten nach drei Monaten primär eine andere Zielgruppe als Studenten vor Augen:
Geschützt werden sollen weniger gebildete Gruppen, beispielsweise vor einer dauernden Beschäftigung als Hilfskraft auf dem Bau, unter dem Deckmantel eines Praktikums.
Hinzu kommt die oben erwähnte aber nicht näher ausgeführte Pflicht zur Abführung der Sozialbeiträge. Diese sind abhängig von der vereinbarten Vergütung und führen bei zu geringem Lohn unter Umständen zur sogenannten „Aufstockung“ – und damit „Subventionierung“ – durch den Staat.
Insbesondere ergibt sich keine Grundrechtsverletzung im Sinne des Gleichheitssatzes gem. Art. 3 I GG. Wesentlich Gleiches ist gleich zu behandeln. Die beiden Gruppen sind aber schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Behandlung bzgl. der Sozialversicherungspflicht nicht gleich zu behandeln. Gleiches ergibt sich aus der Motivation heraus, die jeweiligen Praktika zu absolvieren.
Ergänzend gibt es wohl gegen eine unbezahlte oder nur sehr gering bezahlte „Kennenlernphase“ oder Anlernphase von drei Monaten keine Einwände.
Diese sollte aber im Falle einer daran anknüpfenden Berufsausbildung oder Einstellung auf die Probezeit angerechnet werden.
Als Nicht-Juristin, aber als jemand, der Studiengänge plant, habe ich mich sehr über den studentischen Aufsatz gefreut, bin aber anderer Meinung. Ein Pflichtpraktikum wird von uns Professoren in Studienordnungen geschrieben als Teil der Hochschulausbildung. Die Studierenden erhalten im Pflichtpraktikum bei uns an der Beuth Hochschule und sicher auch an der HWR Leistungspunkte für ihre Workload. In vielen Fällen sogar Modulnoten. Und im Praktikantenvertrag ist das Ausbildungsziel definiert.
Ob und in welcher Höhe die Betriebe das Pflichtpraktikum vergüten hängt von den Gepflogenheiten verschiedener Branchen und Betriebsgrößen ab – und wie wichtig das den Studierenden ist. So werden Pflichtpraktika auch gerne in gemeinnützigen Organisationen gemacht, die gar nichts zahlen können, aber viele Lernerfahrungen ermöglichen. Wenn das Studium nicht durch Nebenjobs finanziert werden muss, ist das ja dann auch unproblematisch.
Man sollte also nicht zwischen Pflichtpraktikum und freiwilligem Praktikum unterscheiden, sondern zwischen studiengangsintegriertem Pflichtpraktikum und freiwilligen Praktikum.
Schwierig wird die Finanzierung von studiengangsintegrierten Pflichtpraktika aber dann, wenn die Studienfinanzierung auf Jobben ausgelegt ist. Dann heißt das, neben dem vollen Praktikum auch noch den Studentenjob schaffen zu müssen. Und von daher wäre es natürlich schön, wenn Praktika auch bezahlt würden. Aber wie gesagt – das kann nicht jede Organisation bieten und sollte deshalb im Rahmen der drei Monate und im Rahmen des Ziels: Ausbildung! – den Arbeitgebern überlassen bleiben.
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Ich unterstütze die Ansicht, dass es ein einheitliches Praktikumsrecht bzw. neue gesetzliche Regelungen zu dieser Thematik bedarf. Heutzutage werden absolvierte Praktika bei künftigen Arbeitgebern nahezu vorausgesezt. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, dass einige Studiengänge, wie meist die der Fachhochschulen, studienintegrierte Pflichtpraktika vorschreiben. Allerdings ist das Absolvieren von Pflichtpraktika nicht in jedem Studiengang in Deutschland Voraussetzung. Wenn sich folglich Studenten eigenständig engagieren und Praktika absolvieren möchten, um mehr Arbeitserfahrung zu sammeln und auch um evtl. ihren Lebenslauf aufzubessern, sollten ihnen dieselben Chancen zustehen wie Studenten, die Pflichtpraktika absolvieren müssen. Wie einer meiner Vorrednerinnen allerdings bereits angemerkt hat, fallen Pflichtpraktikanten seit 2015, im Gegensatz zu den freiwilligen Praktikanten, nicht unter den gesetzlichen Regelungen des Mindestlohns. Es ist somit offensichtlich, dass es für Praktikums-/Arbeitgeber daher vorteilhafter ist Pflichtpraktikanten einzustellen und somit “ die Freiwilligen “ bei der Auswahl um einen Praktikumsplatz benachteiligt werden. Dies stellt eine ungerechte Behandlung dar , da es diesen Bewerbern erschwert wird mehr Arbeitserfahrung und weitere Kenntnisse im Rahmen eines Praktikums zu sammeln. Allein aus diesem Grund müssen auch meines Erachtens neue Regelungen bezüglich des Praktikumsrechts getroffen werden.