Die Arbeitsleistung von Mitarbeitern flexibel nach Bedarf des Betriebes abzurufen, klingt für den Arbeitgeber vielversprechend und verlagert abweichend von § 615 S.3 i.V.m. S.1 BGB sein unternehmerisches Risiko, Lohn trotz Arbeitsausfall zahlen zu müssen, auf den Arbeitnehmer. Doch was ist bei Vereinbarungen über die sogenannte Arbeit auf Abruf rechtlich zulässig? Seit der Entscheidung des BAG vom 7.12.2005 kann der Arbeitgeber bei Arbeit auf Abruf tatsächlich nicht mehr nur einseitig die Lage der vereinbarten Arbeitszeit flexibel bestimmen, sondern auch in Grenzen die Dauer und damit die Vergütung selbst.

Rechtliche Vorgaben

Zum Schutz der Arbeitnehmer bei Vereinbarungen über „Arbeit auf Abruf“-Verhältnissen schreibt § 12 I S. 2 TzBfG die Festlegung einer bestimmten Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit vor. Dies definiert die Hauptleistungspflichten beider Parteien und schafft eine verlässliche Grundlage für Einkommen und sozialversicherungsrechtlichen Schutz.

Sachverhalt

Im zugrunde liegenden Fall des BAG- Urteils vom 7.12.2005 stritten eine Arbeitnehmerin und ihr Arbeitgeber über den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht. In einem vorformulierten Arbeitsvertrag vom 1.10.2002 wurde eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden ohne Anspruch der Arbeitnehmerin auf zusätzliche Beschäftigung vereinbart. Jedoch mit der Verpflichtung, je nach Arbeitsanfall auf Abruf des Arbeitgebers mehr als 30 Stunden wöchentlich zur Verfügung zu stehen. Dabei sollten im Bedarfsfall, aber nur dann, die zusätzlichen Stunden bis einschließlich der 40. Stunde mit derselben Stundenvergütung wie in der Regelarbeitszeit bezahlt werden.

Grundlegende Entscheidung

Die grundlegende vom BAG zu beantwortende Frage war demnach, ob die hier vereinbarte Regelung über die Arbeitszeit der Festlegungsvoraussetzung einer „bestimmten Dauer“ des § 12 I S. 2 TzBfG genügt.

Mit der Formulierung „regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit“ ist die Arbeitszeit nicht abschließend festgelegt. Das BAG sieht jedoch in der von § 12 I S.2 TzBfG genannten Voraussetzung kein absolutes Flexibilisierungsverbot. Dieser Ansicht folgend steht eine Vereinbarung über flexibel abrufbare Arbeit, ohne Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei Nichtinanspruchnahme, zusätzlich zu einer garantierten Mindestarbeitszeit dem Schutzgedanken des § 12 TzBfG nicht entgegen. In Formulararbeitsverträgen, in denen die Bedingungen nicht im Einzelnen ausgehandelt werden, unterliegen solche Abreden aber der AGB- Kontrolle bzw. einer Angemessenheitsprüfung nach § 307 I und II BGB. In Abwägung der Interessen, an einem flexiblen Personaleinsatz einerseits und dem Bedürfnis nach Planungs- und finanzieller Sicherheit andererseits, legt das BAG in seinem Urteil eine Zulässigkeitsgrenze einseitig abrufbarer Arbeit durch den Arbeitgeber von 25% zusätzlich zu der vertraglich festgeschriebenen wöchentlichen Mindestarbeitszeit fest. Somit kann auch der Anspruch auf Vergütung, je nach tatsächlich geleisteter Arbeit, um bis zu 25 % schwanken. Diese Grenzziehung ist in Anlehnung an eine frühere Entscheidung des BAG vom 12.01.2005 zur Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten über die Änderung versprochener Vergütung des Arbeitgebers entwickelt worden. Bei der Festlegung einer Höchst- oder Gesamtarbeitszeit ist eine Absenkung nach unten um bis zu 20 % möglich.

Bei der vereinbarten Arbeit auf Abruf mit einer festgelegten Sockelarbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich kann die Arbeitszeit bedarfabhängig um 7,5 Stunden und dementsprechend auch die Vergütung erhöht werden. Die im entschiedenen Fall vertraglich geregelte zusätzliche Arbeitspflicht von jedoch 10 Stunden, stellt eine unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin dar und ist deshalb gem. § 307 I S. 1 BGB unwirksam.

Folgen

Der vom BAG 2005 festgelegte Grundsatz ist weitgehend anerkannt und findet Anwendung in mehreren Entscheidungen. Er ist als Maßstab bei der Vereinbarung zusätzlicher Arbeit auf Abruf anzulegen. Das LAG-Köln zum Beispiel folgte in seinem Urteil vom 5.02.2009 der Auffassung des BAG und hielt in dem angeführten Fall eine variable Aufstockung der vereinbarten 31 Stunden wöchentlich auf 38,5 Stunden für zulässig. Die dem Arbeitgeber zustehende Bandbreite zur Arbeitszeiterhöhung von bis zu 25 % wurde nicht überschritten.

Arbeit auf Abruf mit einer zulässigen Schwankung der flexibel abrufbaren Stundenzahl und der damit verbundenen Vergütung um 25 % muss jedoch eindeutig im Vertrag benannt werden. So entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern am 17.09.2013 über einen Fall, bei dem der Arbeitsvertrag eine durchschnittliche Arbeitszeit von 200-Stunden im Monat vorsah und beide Parteien sich darüber einigten, dass von der geregelten durchschnittlichen Stundenanzahl keine gleichbleibende Stundenanzahl abzuleiten sei. In dieser Vereinbarung sah das LAG Mecklenburg-Vorpommern zwar nach dem Wortlaut im Sinne des Arbeitgebers eine Flexibilisierung und damit keine Zusicherung einer bestimmten Mindest- oder Stundenanzahl, aber gleichzeitig auch keinen Ausschluss einer Mindest-Stunden-Bezahlung. Der Arbeitgeber muss ein bestimmtes festgelegtes Einkommen erhalten. Demzufolge musste der Arbeitnehmer nicht nach den tatsächlich weniger geleisteten Stunden, sondern auf Basis der 200-Stunden Regelung bezahlt werden.

Bewertung

Eine vollkommene Verlagerung des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer und die alleinige Vergütung nach dem Arbeitsanfall sind nach § 307 BGB  in Formulararbeitsverträgen nie als zulässig anzusehen. Jedoch erlaubt die vom BAG entwickelte 25 % Grenze gewisse Spielräume bei der Vergütung. Der Arbeitnehmer hat keinen Einfluss darauf, ob der Arbeitgeber die zusätzlichen Stunden abruft oder nicht. Der Abruf und die damit verbundene Konkretisierung der Arbeitspflicht liegen im alleinigen Ermessen des Arbeitgebers. Der Grundsatz, wonach die Arbeitszeitdauer nicht zur einseitigen Disposition steht, werden im Interesse des Arbeitgebers flexibilisiert. Bei Vereinbarungen über Arbeit auf Abruf ist nicht nur die einseitige Verteilung der Arbeitspflicht auf einen bestimmten Zeitraum nun mehr Teil des Direktionsrecht, auch die tatsächliche Höhe des Einkommens sind teilweise durch den Arbeitgeber bei Abrufarbeit bestimmbar.

Arbeit auf Abruf“ stellte schon in seiner ursprünglichen Form, vor der Entscheidung des BAG von 2005, ein ausreichend den Arbeitgeberinteressen dienendes Flexibilisierungsinstrument dar.

Neben den Tatsachen, dass die ständige Abrufbereitschaft nicht vergütet wird oder diese die Möglichkeit einer anderen bezahlten Tätigkeit für den Arbeitnehmer fast vollkommen ausschließt, rechtfertigt die nun zulässige Bandbreitenregelung eine zusätzliche Unsicherheit im Hinblick auf die Vergütung. Die Einschränkung, dass je nach Höhe der vereinbarten Mindestarbeitszeit sich auch die mögliche flexible Stundenanzahl und Vergütung begrenzt, lassen keinen ausgeglichenen Kompromiss beider Seiten erkennen. Die Entscheidung wirkt auf den ersten Blick durchdacht und interessensgerecht, kann jedoch nur als eine weitere Einschränkung und Unangemessenheit gegenüber dem Arbeitnehmer gesehen werden.