Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.02.1982 zur Beschneidung von Mitgliedsrechten von Aktionären innerhalb einer Aktiengesellschaft durch den Vorstand ist bis heute richtungsweisend: Die Holzmüller I – Entscheidung. Es wird klar gestellt, inwieweit Aktionären noch Mitgliedsrechte zustehen, wenn der Vorstand einer AG den Großteil des Gesellschaftsvermögens auf eine andere Gesellschaft überträgt. Dadurch kommt den Aktionären eine ungeschriebene Mitbestimmungskompetenz zu Gute. Bis zu diesem Zeitpunkt war unklar, ob der Aktionär der AG bei anfallenden Entscheidungen in der neuen Gesellschaft mitwirken kann und inwieweit der Vorstand dafür haftet. Der Sachverhalt (gekürzt)

 

Der Kläger der Holzmüller I – Entscheidung ist ein Aktionär der Holzmüller Aktiengesellschaft (AG). Die Beklagte ist die Holzmüller AG.

Die Holzmüller AG (Grundkapital 3,2Mio. DM) führt in ihrem Betrieb einen Holzhandel und einen  Seehafenbetrieb, wobei der Hafenbetrieb den wesentlich größeren Teil am Gesamtumsatz des Unternehmens ausmacht. Es kam zur Gründung einer neuen Gesellschaft, der Holzmüller KGaA (Grundkapital 4,8 Mio. DM) und zur Übertragung des Seehafenbetriebs mit allen Aktiva und Passiva in die Holzmüller KGaA. Die Holzmüller AG hält 100% der Aktienanteile.

Obwohl die Satzung der Holzmüller AG den Vorstand dazu berechtigte, andere Unternehmen zu errichten, zu erwerben, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen und ihren Betrieb ganz oder Teilweise solchen Gesellschaften zu überlassen, fühlte sich der Kläger in seiner Aktionärsstellung hintergangen.

Der Kläger hielt die Ausgliederung des Seehafenbetriebs, ohne die Zustimmung der Hauptversammlung, wegen unerlaubter Änderung des Unternehmensgegenstandes für unwirksam und sittenwidrig. Des Weiteren vertrat er die Ansicht, dass die Ausgliederung einzig dem Zweck dient, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, ohne dabei auf die Interessen der Minderheitsaktionäre Rücksicht zu nehmen.

Die Anträge

Der Kläger stellte folgende Anträge:

  1. Zunächst beantragt der Kläger festzustellen, dass die Übertragung des Seehafens auf die neue Gesellschaft und alle damit verbundenen Rechtsgeschäfte als nichtig zu erklären.
  2. Sollte dieser abgelehnt werden, versucht der Kläger die Rückübertragung zu erreichen.
  3. Sollte auch dieser abgelehnt werden, soll festgestellt werden, dass für alle Maßnahmen und Entscheidungen, die die Holzmüller KGaA betreffen, ein Beschluss der Hauptversammlung der Holzmüller AG notwendig ist.
  4. Dabei ist insbesondere festzustellen, dass wenn eine Kapitalerhöhung in der Holzmüller KGaA durchgeführt wird, ein Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung der Obergesellschaft notwendig ist.

Die Entscheidung

Mit dem 1. Antrag hat der Kläger keine Wirkung erzielt. Dies liegt vor allem daran, dass der BGH hier nicht die entscheidende Nichtigkeitsfolge sieht. Der Aktionär ist insoweit zu schützen, als dass beim Verschieben von Gesellschaftsvermögen keine leere Hülle übrig bleiben soll. Das ist hier nicht der Fall, weil der sich noch wirtschaftlich positiv darstellende Holzhandel weiterhin bei der Beklagten befindet. Ein anderer Grund ist, dass hier der Vorstand seine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er bei einer so entscheidenden Handlung nicht die Hauptversammlung gefragt hat. Er hat somit § 119 II AktG verletzt. Der Vorstand hat somit die interne Vorlagepflicht missachtet. Aufgrund der Außenwirkung dieses Rechtsgeschäfts wirkt sich dieser Verstoß nur intern aus. Das bedeutet, dass nach außen diese Übertragung bestehen bleibt. Nichtig kann der Vertrag somit nicht sein, weshalb auch dieser Antrag abgelehnt wird.

Auch mit dem 2. Antrag hat der Kläger keinen Erfolg. Dies liegt darin, dass der Kläger mit seiner Klage das Gesetz nicht berücksichtigt hat. Am 14.7.1972 wurde eine Hauptversammlung abgehalten, in der der Vorstand den Aktionären die Entscheidung mitteilte, dass der Seehafen in eine neue Gesellschaft überführt werden soll. Im Januar 1973 wurde ein Rundbrief mit der Entscheidung an alle Aktionäre versandt. Der Kläger hat damit die konkrete Kenntnis über diese Übertragung. Die Klage wird aber erst im Juli 1975 eingereicht. Eine solche Klage unterliegt jedoch der Monatsfrist gemäß § 246 I AktG. Die Klage wurde schlicht zu spät erhoben.

Im 3. Antrag hat der BGH eine Lücke im Aktienrecht gefunden:

Verlagert eine Aktiengesellschaft wesentliche Teile ihres Betriebsvermögens auf eine Tochtergesellschaft, so schwächt diese Strukturänderung selbst dann, wenn sämtliche Anteile in den Händen der Obergesellschaft verbleiben, die Rechtsstellung ihrer Aktionäre. Diese verlieren dadurch namentlich die Möglichkeit […] Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko seines Verlusts und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen. Denn alle Gesellschafterrechte im Tochterunternehmen übt bei hundertprozentiger Beteiligung der Vorstand der Obergesellschaft aus, für den hierbei […] weder die Satzung der Tochtergesellschaft noch verschärfte Mehrheitserfordernisse ein unüberwindbares Hindernis bilden […]. (Randziffer 50 des Urteils)

Diese Lücke ist vom BGH in diesem Fall aber nicht zu schließen. Dies liegt daran, dass der Antrag zu weit formuliert wurde. Denn unternehmerische Entscheidungen in der neuen Gesellschaft werden durch den Vorstand der Beklagten getroffen. Wenn alle Entscheidungen der Holzmüller KGaA einen Beschluss der Hauptversammlung der Holzmüller AG benötigen würden, würde dies zu sehr die Leistungsvollmacht des Vorstandes beschneiden. Deshalb ist auch in diesem Fall der Antrag abzuweisen.

Im 4. Antrag ist die Handlung genau als Kapitalerhöhung benannt worden. Eine Kapitalerhöhung kann Nachteile für Aktionäre darstellen. Zum Beispiel dann, wenn die in die Holzmüller AG investierte Geldmittel entzogen werden, um diese dem Seehafen zuzuführen. Den Aktionären ist dann die Handhabe über ihr Vermögen genommen. Der Hauptversammlung der Obergesellschaft soll es somit überlassen bleiben, ob eine Kapitalerhöhung tatsächlich durchgeführt werden soll. Ob aber überhaupt eine Kapitalerhöhung ansteht, soll aber dem Ermessensspielraum des Vorstandes überlassen bleiben.

Der Kläger hat somit bei vier gestellten Anträgen nur mit dem letzten Erfolg gehabt. Andere wurden aus den oben genannten Gründen abgewiesen.

Resultierende Rechtsprobleme

Grundsätzlich richtet sich die Mitbestimmungsbefugnis der Hauptversammlung einer AG nach dem § 119 I AktG, wonach es beispielsweise einen Beschluss der Hauptversammlung für etwaige Satzungsänderungen bedarf. Darüber hinaus räumt § 119 II AktG dem Vorstand ein Ermessen ein, ob er zur Entscheidungsfindung eine Hauptversammlung einberuft. Dieses Ermessen des § 119 II AktG wird im Zuge der Holzmüller I – Entscheidung dahingehend eingegrenzt, dass der Vorstand die Hauptversammlung fragen muss, wenn die Entscheidung des Vorstandes so weit in die Interessen der Aktionäre eingreift, dass der Vorstand vernünftiger Weise nicht annehmen kann, er dürfe die Entscheidung auch ohne die Zustimmung der Hauptversammlung treffen. Somit kommt der Hauptversammlung eine ungeschriebene Mitbestimmungskompetenz zugute.

Diese Kompetenz der Hauptversammlung grenzt den § 119 II AktG insofern ein, da nun der Vorstand in bestimmten Fällen kein Ermessen mehr hat, ob er eine Hauptversammlung einberufen möchte. Überschreitet der Vorstand die ungeschriebene Pflicht und missachtet das ihm anvertraute Ermessen die Hauptversammlung einzuberufen, so können die Aktionäre gegen den Vorstand Schadensersatzansprüche geltend machen. Das Ermessen ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn es um Entscheidungen über Kapitalmaßnahmen geht oder wenn eine Gefahr der Mediatisierung droht. Eine Mediatisierung ist anzunehmen, wenn durch Entscheidungen des Vorstands die Entscheidungskompetenz der Aktionäre beschnitten wird, die Verwässerung seiner Beteiligung droht, oder der Aktionär keinen direkten Dividendenbezug erhält.

Da eine weiterreichende Definition der Mediatisierung, und zwar bei welcher Entscheidungshöhe eine eben solche anzunehmen ist, durch die Holzmüller I – Entscheidung nicht geliefert wird, bestand hier für lange Zeit eine Rechtsunsicherheit seitens des Vorstands.

Zudem konnte man keinen direkten Bezug der Zustimmungserfordernis aus dem Gesetz ableiten, womit man auch im Unklaren darüber war, welcher Mehrheit der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung bedarf.

Lösungen seitens des BGH bezüglich der aufgeworfenen Probleme liefert die Holzmüller II – Entscheidung.