Der § 106 GewO räumt dem Arbeitgeber einen gewissen Spielraum hinsichtlich seiner Handlungen ein die Art, Ort und den Umfang der Tätigkeit im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrags genauer zu konkretisieren. Doch nicht immer ist klar, wo das Weisungsrecht anfängt und wo es letztlich gewissen Grenzen untergeordnet ist. Gerade der Ort der Arbeitstätigkeit und eine eventuell später eintretende Versetzung können schnell zu einem Streitthema unter den Arbeitsparteien werden. So auch in einem aktuellen Urteil des BAG vom 28.8.2013 (BAG v. 28.8.2013 – 10 AZR 569/12). Hier geht es um eine Klägerin die bei der Beklagten Fluggesellschaft seit 1994 in Münster/Osnabrück als Flugbegleiterin tätig war. Im Jahre 2011 sollte sie aufgrund eines Interessensausgleichs und Sozialplans verbunden mit einigen Standtortschließungen von ihrem bisherigen Arbeitsplatz nach Düsseldorf versetzt werden. Gegen diese Versetzung klagte sie.
Entscheidung zur Versetzung
Das Ganze durchlief zwei Instanzen, bis es vor dem BAG landete. Hier wurde letztlich entschieden, dass keine genaue Festlegung des Arbeitsortes vorlag, welche das Weisungsrecht des Arbeitnehmers eingrenze. Denn die Passage der Ortsbestimmung, welche mit „Beginn der Tätigkeit“ im Arbeitsvertrag betitelt wurde, legte fest, dass die Klägerin an dem Ort Münster/Osnabrück ihre Arbeit vorerst aufnimmt. Dies bedeutete aber nicht, dass vertraglich ein konkreter Arbeitsort vereinbart worden sei. Gestützt wurde das Ganze, durch die vom Betriebsrat 1993 beschlossene Betriebsvereinbarung, in der festgelegt wurde, dass Mitarbeiter unter Berücksichtigung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden können. Unter Berücksichtigung dieser Argumente, wurde die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Versetzung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers falle und rechtens sei.
Jahrhunderthochwasser – Rechtfertigung für angeordnete Mehrarbeit??
Eine weitere Entscheidung wurde 2002 vom Arbeitsgericht Leipzig getroffen (ArbG Leipzig v. 4.2.2003 – 7 Ca 6866/02, NZA-RR 2003, 365). Im Gegensatz zum vorigen Fall, in welchem es um eine durch das Weisungsrecht angeordnete Versetzung ging, dreht es sich nun primär um die Frage der geschuldeten Arbeitszeit. Denn die Einteilung der Arbeitszeit richtet sich grundsätzlich nach den „betriebsüblichen Regelungen“, unter den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Doch inwieweit muss ein Arbeitnehmer Überstunden leisten? Und muss er diese unentgeltlich erbringen?
Es begann mit dem großen Jahrhunderthochwasser, welches in Döbeln, Sachsen, im August 2002 für eine große Spur der Verwüstung sorgte. Hier war der Kläger bei der Beklagten seit 1957 als Maschinenschlosser eingestellt. Als die Pegelstände sanken, forderte der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auf, bei der Beseitigung der Schäden mitzuhelfen. Unentgeltlich und mit zusätzlichen Stunden zu der normal geregelten Arbeitszeit (Überarbeit). In der Zeit vom 14.8. – 24.8 leistete der Kläger ca. 21 Std. Überstunden. Am 27.8. fand eine Betriebsratsversammlung statt in der beschlossen wurde die aktuelle Maßnahme weiterzuführen da noch nicht alle bisherigen Schäden beseitigt wurden. An dieser Sitzung nahm auch der Kläger teil, ohne gegen das Ergebnis Widerspruch einzulegen. Als er am selben Tag früher nach Hause gehen wollte, drohte der Arbeitgeber ihm mit einer außerordentlichen Kündigung. Der Kläger verließ dennoch seine Arbeitsstelle, die Kündigung ging ihm dann wenige Tage später zu.
Außerordentliche Kündigung aufgrund Arbeitsverweigerung wirksam?
Eine außerordentliche Kündigung darf gem. § 626 BGB nur umgesetzt werden, wenn unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien keine weitere Zusammenarbeit zugemutet werden kann. Als trifftigen Grund brachte die Beklagte die Arbeitsverweigerung des Klägers vor. Jedoch verweigerte der Kläger die Arbeit und Mithilfe nicht, er schaffte diese aus körperlich, gesundheitlichen Gründen nicht und konnte daher dieser Tätigkeit nicht mehr gerecht werden. Er machte von seinem Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 2, 3 BGB Gebrauch, welches besagt das ein Arbeitnehmer in bestimmten Situationen den Weisungen eines Arbeitgebers nicht nachkommen muss, sobald diese in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse stehen. Weiter wurde aufgeführt, dass Arbeitnehmer nach § 106 GewO i.V.m. § 14 ArbZG bei Not und Katastrophenfällen zu Überstunden und Mithilfe verpflichtet sind. Diese Aussage wurde vom BAG auch zurecht befürwortet, allerdings soll dem Wortlaut entsprechend Mehrarbeit nur geleistet werden, wenn es der Prävention von Schäden dient und diese nicht bereits eingetreten sind. Somit wäre es legitim gewesen, den Arbeitnehmer anzuweisen bei dem Aufbau einer Mauer aus Sandsäcken mitzuhelfen, die das Eintreten des Hochwasser ggf. verhindert hätte. Die Überstunden, um die nachträglich entstanden Schäden zu beseitigen sind hier nicht einzubeziehen. Zuletzt wurde das Argument vorgebracht, dass der Arbeitnehmer durch seine Arbeitsniederlegung den Betriebsfrieden gestört hätte und folglich eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt wäre. Da die Arbeitsniederlegung und die daraus resultierenden Diskussionen aber keinen gravierenden Verstoß darstellten und keinen Eklat verursachten, lag indes keine Störung des Betriebsfriedens vor. Die außerordentliche Kündigung wurde vom Landesarbeitsgericht Leipzig als nichtig angesehen und der Beklagte Arbeitgeber musste diese zurückziehen.
Das Fazit
Anhand dieser beiden Fälle lässt sich gut erkennen, wie breit das Spektrum des Weisungsrechts gefächert ist und der Arbeitgeber von diesem Gebrauch macht. Jedoch unterliegt der §106 GewO einigen Grenzen, die es vor jeder Entscheidung mit zu berücksichtigen gilt. Folglich wird uns auch in ferner Zukunft das Thema des Direktionsrechts beschäftigen und für diversen Verhandlungs- und Gesprächsstoff sorgen.