Bei einer Vorratsgesellschaft handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, die jedoch nach der Gründung noch keine wirtschaftliche Geschäftstätigkeit ausübt. Dies geschieht erst nach Verkauf der Gesellschaft an einen Dritten. Ziel soll sein, dem Käufer die Zeit bis zur Eintragung zu ersparen und seine Haftungsrisiken zu minimieren.  Mit dem Beschluss vom 09.12.2002 entschied der BGH wegweisend, dass der Verkauf einer solchen Vorratsgesellschaft eine wirtschaftliche Neugründung darstellt. Dementsprechend muss der neue Geschäftsführer versichern, dass das Stammkapital weiterhin im vollen Umfang der Gesellschaft zur Verfügung steht.

Der Sachverhalt

Eine mit dem Zweck der eigenen Vermögensverwaltung gegründete Vorratsgesellschaft mit voll eingezahltem Stammkapital in Höhe von 25.000,00 € sowie nachweislicher Anmeldeversicherung und Eintragung in das Handelsregister wurde bereits nach weniger als drei Monaten durch notariell-beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag veräußert. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gesellschaft noch keine Geschäftstätigkeit ausgeübt, laut aktuellen Kontoauszügen wies das Gesellschaftsvermögen noch einen Betrag in Höhe von 24.987,32 € aus. Das zur Gründung der Vorratsgesellschaft aufgebrachte Stammkapital war also noch nahezu vollständig vorhanden.  Nach vollständiger Abwicklung des Kauf- und Abtretungsvertrages sollte mit der von der Gesellschafterversammlung ergangenen Zustimmung Sitz, Firma und Unternehmensgegenstand geändert werden. Da die Gesellschaft die Änderungen lediglich durch Satzungsänderungen erwirken wollte und die Gesellschaft mit dem Mantel der bereits vorab gegründeten Vorratsgesellschaft  geschäftstätig werden sollte, erfolgte keine erneute Versicherung gemäß § 8 II GmbHG über das Vorhandensein des erforderlichen Stammkapitals in Höhe von 25.000,00 €. Der Antrag auf Eintragung der Änderungen wurde vom Handelsregister allerdings abgelehnt.

Rechtsfolgen

Der BGH entschied in seinem Beschluss vom 09.12.2002, dass eine Vorratsgesellschaft eine Neugründung darstellt und die Gründungsvorschriften insbesondere § 8 GmbH auch für eine Vorratsgesellschaft gelten.  Der neue Geschäftsführer hat gem. § 8 II GmbH zu versichern, dass das Stammkapital endgültig zur freien Verfügung der Gesellschaft steht. Durch diese Versicherung erklärt der Geschäftsführer nach außen, die bezeichneten Leistungen sind auf die Stammeinlagen bewirkt und  der Gegenstand der Leistung  befindet sich endgültig in freier Verfügung der Gesellschaft. Wird die Versicherung nicht abgegeben, so ist die Eintragung in das Handelsregister abzulehnen.

Entscheidungsbegründung und Kritik

Womit kann die vom BGH geforderte doppelte Kapitalaufbringungskontrolle gerechtfertigt werden? Dazu wird davon ausgegangen, die eigentliche, gesetzestypische GmbH als solche sei erst dann geschaffen, wenn sie den für eine GmbH typischen Unternehmensgegenstand erhält. Das wird unabhängig davon betrachtet, dass sie zuvor bereits ins Handelsregister eingetragen wurde.  Kritiker sagen, dass der Vermögensbestand einer GmbH lediglich im Gründungsstadium im Rahmen der Eintragung kontrolliert werde. Eine weitere Kontrolle sehe das Gesetz nicht vor. Stattdessen sollen Vorschriften wie das Auszahlungsverbot nach § 30 I GmbHG und die Folgen einer verdeckten Sacheinlage den Erhalt des Stammkapitals sichern, und Vorschriften wie die Insolvenzantragspflicht nach § 64 GmbHG den Gläubigerschutz gewährleisten. Der BGH rechtfertigt die Anwendung der Gründungsvorschriften bei der Vorratsgesellschaft damit, dass es sich ja um eine wirtschaftliche Neugründung handele. Gegner des Urteils sind jedoch der Ansicht, dass dies noch lange keine rechtliche Neugründung sei, da durch die bereits genannten anderen Schutzvorschriften die planwidrige Gesetzeslücke fehle, die zur Analogiebildung aber notwendig ist.

Was unbeantwortet blieb

Der BGH hat damals offen gelassen, ob die Übernehmer einer Differenzhaftung unterliegen.  Durch das Urteil v. 06.03.2012 wurde aber festgestellt, dass die Gründungsgesellschafter einer  Unterbilanzhaftung bei der Gesellschaft im Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Handelsregister unterliegen. Die Gesellschafter haften also mit ihrem Privatvermögen, wenn das Stammkapital im Zeitpunkt der Eintragung  durch Anlaufverluste entweder ganz oder teilweise aufgebracht ist.  Die Erwerber der Vorratsgesellschaft haften  persönlich für die Unterbilanz zum Zeitpunkt der Eintragung der Änderungen im Handelsregister insbesondere dann, wenn die Gesellschaft nach der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile aktive Geschäfte aufnimmt und dadurch Anlaufverluste bis zur Eintragung der Änderungen erwirtschaftet.

Bedeutung des Urteils

Bedeutet die Entscheidung nun das Ende für die Vorratsgesellschaften? Nein, sie dient lediglich dem Gläubigerschutz. Denn wenn es sich um den typischen Kauf einer Vorratsgesellschaft handelt, dann ist das Stammkapital ja noch vorhanden, da es davor eben keine geschäftlichen Aktivitäten gab! Und sofern doch Gelder flossen, so ist es recht und billig, wenn diese nun offengelegt werden. Durch die Versicherung des neuen Geschäftsführers nach § 8 II GmbHG entsteht nun der Vorteil, dass nun für unrichtige Angaben nach § 9a GmbHG gehaftet werden muss.

 

Ein Beitrag von A. Scheid, M. Smezhuk, V. Völlkopf