Wer als Bewerber während eines Einstellungsverfahrens abgelehnt wird, hat oftmals ein Interesse zu erfahren, welche Gründe ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung gewesen sind. Einerseits um besser auf künftige Einstellungsverfahren vorbereitet zu sein, und andererseits, weil in einer Ablehnung eine mögliche Diskriminierung im Sinne des § 1 AGG verborgen sein könnte.
Hierzu entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 19.04.2012 (Az. C-415/10), dass abgelehnte Stellenbewerber grundsätzlich keinen Anspruch auf Auskunft darüber haben, welche Beweggründe zur Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung führte und welcher Bewerber eingestellt worden ist.
Zu dieser Problematik hat eine Systemtechnik – Ingenieurin russischer Herkunft, mit einem in Deutschland anerkannten russischen Diplom gegen einen Hersteller von Telefonsystemen geklagt.
Hintergrund der Klage war die Ablehnung ihrer Bewerbung auf zwei ausgeschriebene Stellen als Softwareentwicklerin. Die Klägerin war der Ansicht, dass sie das Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle erfülle, allerdings aufgrund ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft nicht berücksichtigt worden sei. Sie warf dem Unternehmen Diskriminierung im Sinne des § 1 AGG (allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) vor und klagte 2006 zunächst vor dem Arbeitsgericht Hamburg auf Schadensersatz und Herausgabe der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers, um nachweisen zu können, dass sie besser für die Stelle geeignet gewesen sei.
Gemäß § 1 AGG ist eine Benachteiligung, aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, verboten.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, woraufhin die Klägerin beim Landesarbeitsgericht Hamburg Berufung einlegte, die ebenfalls ohne Erfolg blieb. Darauf legte die Klägerin Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Da das BAG einen solchen Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers im deutschen Recht nicht herleiten konnte, legte es diese Frage zur Vorabentscheidung mit Beschluss vom 20. 05. 2010 (8 AZR 287/08) dem EuGH vor, ob aufgrund europarechtlicher Bestimmungen ein solcher Auskunftsanspruch besteht.
Nun bekräftigte dies auch der EuGH, dass aufgrund, der hinter dem AGG stehenden, europarechtlicher Bestimmungen kein allgemeiner Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers bestehe, weder über Gründe seiner Nichtberücksichtigung, noch auf Auskunft darüber, ob die Stelle überhaupt besetzt wurde.
Allerdings hat der EuGH in seinem Urteil darauf hingewiesen, dass die Verweigerung jeglichen Zugangs zu Informationen, seitens des Unternehmens, ein Indiz für eine mögliche Diskriminierung (s.o.) und somit ein Verstoß gegen das AGG vermuten lasse. Es obliegt aber den nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung aller Umstände zu prüfen, ob eine Diskriminierung vorliegt.
Mögliche Auswirkung auf die Praxis
Für die Praxis bedeutet dieses: Macht ein Bewerber in einem Verfahren geltend, er sei im Rahmen des Auswahlverfahrens mittel- oder unmittelbar benachteiligt worden und der Arbeitgeber verweigert ihm die Auskunft zu den Gründen seiner Nichtberücksichtigung, kann der Arbeitnehmer die Informationsverweigerung in einem Verfahren als Indiz einer möglichen Diskriminierung vortragen.
Den Arbeitgeber trifft nach § 22 AGG dann eine Beweislastumkehr und es liegt bei ihm zu beweisen, dass keine Diskriminierung im Sinne des AGG vorliegt.
Es liegt also zunächst beim Bewerber, die Tatsachen vorzutragen, die auf eine Diskriminierung schließen lassen. Hierzu genügt bereits die Verweigerung des Zugangs zu Informationen seitens des Arbeitgebers.
Somit könnten sich Arbeitgeber nun einem faktischen Auskunftszwang gegenüber einem abgelehnten Stellenbewerber ausgesetzt sehen, da der Arbeitgeber zwar nicht verpflichtet ist eine Auskunft zu erteilen, die Nichterteilung aber als Indiz für eine mögliche Diskriminierung ausgelegt werden kann.
Für Arbeitgeber ist es daher von großer Bedeutung, dass sie ihre Auswahlverfahren möglichst transparent durchführen und ihre Entscheidungen lückenlos dokumentieren. Insbesondere ist es wichtig, bei jedem Kandidaten die Beweggründe für bzw. gegen seine Einstellung zu dokumentieren. Nur so lassen sich Indizien einer möglichen Diskriminierung in einem Verfahren schlüssig widerlegen.
Absagen auf Bewerbungen sind eine sehr persönliche Angelegenheit. Schließlich hat der oder die Bewerberin in der Regel viel Zeit und Mühe in die Bewerbung gesteckt. Daher ist es nachvollziehbar, dass der Bewerber vom Unternehmen wissen möchte woran die Einstellung scheiterte. Auf der anderen Seite ist auch der Arbeitgeber zu verstehen, der im Rahmen der Privatautonomie selbst entscheiden darf wen er einstellt. Aus Datenschutzgründen kann vom Arbeitgeber nicht verlangt werden die persönlichen Daten des eingsetellten Mitarbeiters allen abgelehnten Bewerber preiszugeben. Wenn aber nun der abgelehnte Bewerber keinen allgemeinen Auskunftsanspruch hat, wie soll dieser von außerhalb des Unternehmens an die Informationen über den eingestellten Mitbewerber herankommen? Hierbei wird auch oft übersehen, dass § 22 AGG gerade keine Beweislastumkehr zugunsten der Arbeitnehmer regelt, sondern nur Erleichterungen in der Beweisführung gibt. Die Ausgangslage ist schwierig. Der Kompromiss der EuGH-Richter je nach Einzefall in der Verweigerung jeglicher Auskunft ein Indiz für eine mögliche Diskriminierung des Bewerbers und damit einen Verstoß gegen das AGG zu sehen, ist zu begrüßen. Aufgrund der Sensibilität des Themas und der hohen Bedeutung des AGGs ist der damit verbundene Mehraufwand für die Personalabteilungen gerechtfertigt.