Und wieder nur ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag. Wie geht es nach Ablauf der Zeit
weiter? Wie lange werde ich ohne eine Beschäftigung sein? Wie soll ich das finanziell
bewerkstelligen? Vielfach werden Arbeitnehmer über Jahre hinweg immer wieder befristet
beschäftigt. Man spricht von sogenannten Kettenbefristungen. Ist das rechtlich zulässig
möglich?
Grundlegendes
Arbeitsverträge über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren können grundsätzlich
zulässig befristet werden, wenn ein sachlicher Grund gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG
(z.B. nur vorübergehende Arbeit, Probezeit, Vertretung) vorliegt, der die Befristung
rechtfertigt. Der wohl am meisten auftretende Fall ist dabei die Befristung zur Vertretung
eines anderen Arbeitnehmers. Da sich gerade der Vertretungsbedarf vielfach aber nicht
sicher einschätzen lässt, vereinbaren Arbeitgeber mit Arbeitnehmern zuletzt immer
häufiger Verträge mit kürzerer Laufzeit, die nach Bedarf wieder und wieder verlängert
werden (Kettenbefristungen). Für Arbeitnehmer hat dies natürlich den nachteiligen Effekt,
dass sie in ständiger Unsicherheit über die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses
beschäftigt werden.
Dass mehrere solcher Sachgrundbefristungen hintereinander vereinbart werden können,
ist in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte grundsätzlich anerkannt. Indes hat das BAG
zuletzt in zwei Entscheidungen versucht, Zulässigkeit und Grenzen der vielleicht etwas
ausufernden Praxis von Kettenbefristungen aufzuzeigen. Nachdem sich die erste
Aufregung gelegt hat, lässt sich nun erkennen, dass das BAG den Abschluss mehrerer
hintereinander befristeter Arbeitsverträge jedenfalls nicht substantiell hat beschränken
wollen.
Keine Kettenbefristungen mehr dank Kücük?
Das BAG hatte in einer ersten Entscheidung (BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09, NZA 2012,
1351 ff., „Kücük“) angenommen, dass die befristete Beschäftigung einer
Arbeitnehmerin über elf Jahre mit 13 befristet geschlossenen Verträgen
rechtsmissbräuchlich und die Befristung daher unwirksam sei, da der in § 14 Abs. 2 Satz 1
TzBfG genannte zeitliche Rahmen von zwei Jahren für eine sachgrundlose Befristung in
besonders gravierendem Ausmaß überschritten würde. Zuvor hatte das BAG den EuGH
um Vorabentscheidung darüber ersucht, ob sich aus der Befristungs-Richtlinie 1999/70/EG
in derartigen Konstellationen Grenzen ergeben. Der EuGH (EuGH 26.01.2012 – C-586/10
[Kücük], AP Richtlinie 99/70/EG Nr.9) hat daraufhin aber klargestellt, dass ein
vorübergehender Vertretungsbedarf grundsätzlich auch dann ein sachlicher Grund für die
Befristung sein kann, wenn der Vertretungsbedarf wiederkehrend oder sogar dauerhaft
vorliege. Dies bleibe aber stets eine Einzelfallentscheidung, bei der alle Einzelheiten des
jeweiligen Falls in Betracht zu ziehen seien, um einen etwaigen Missbrauch
auszuschließen. Allein der Umstand, dass mehrere befristete Arbeitsverträge
abgeschlossen wurden, führe nicht zwingend zur Annahme eines Missbrauchs oder zum
Fehlen eines Sachgrunds. Es bleibt also auch bei Kettenbefristungen ein
Gestaltungsspielraum.
Der verbleibende Gestaltungsspielraum bei Kettenbefristungen
Erste Anhaltspunkte für die verbleibenden Gestaltungsmöglichkeiten lassen sich bereits
einer parallelen Entscheidung des BAG entnehmen (BAG 18.07.2012 – 7 AZR 783/10,
NZA 2012, 1359 ff.). Hier war eine Arbeitnehmerin bei einer Einzelhandelskette mit
mehreren Filialen und über 100 Arbeitnehmern befristet beschäftigt. Sie war auf der
Grundlage von vier befristeten Arbeitsverträgen für einen Zeitraum von sieben Jahren als
Verkäuferin eingestellt. Als Befristungsgrund sah der letzte Arbeitsvertrag für die Zeit von
Anfang 2008 bis Ende 2009 die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers vor, welcher
Elternzeit in Anspruch nahm.
Die klagende Verkäuferin war der Auffassung, bei insgesamt 4 in einem Zeitraum von
sieben Jahren und neun Monaten aneinander anschließenden befristeten
Arbeitsverhältnissen könne nicht mehr von einem vorübergehenden Bedarf ausgegangen
werden. Die Befristung ihres letzten Arbeitsvertrags sei also unwirksam. In Wirklichkeit sei
hier ein dauerhafter Beschäftigungsbedarf gegeben, zumal sie parallel zum eigentlich zu
vertretenen Arbeitnehmer eingesetzt wurde. Die beklagte Einzelhandelskette meinte
demgegenüber, dass die Befristung aufgrund des Vertretungsbedarfs gerechtfertigt sei.
In diesem Fall hat das BAG nun – und ganz im Einklang mit den
Grundsätzen aus den Kücük-Verfahren – entschieden, dass bei einer Gesamtdauer von
sieben Jahren und neun Monaten sowie vier Befristungen keine ausreichenden
Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch vorliegen. Das BAG hat aber erkannt, dass bei
der Prüfung von Kettenbefristungen bisher weder eine abschließende Bezeichnung aller
zu berücksichtigenden Umstände möglich ist, noch eine quantitative Angabe, wo die
zeitlichen und/oder zahlenmäßigen Grenzen genau
liegen, bei denen ein Missbrauch indiziert oder gar zwingend von einem solchen
auszugehen ist (BAG 18.07.2012 – 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359 ff., Rn. 38).
Auswirkungen auf die Praxis
Wo ist hier eine Orientierung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegeben? An welchen
Maßstäben und Obergrenzen kann man sich orientieren, um einen etwaigen
Rechtsmissbrauch zu verhindern oder diesem entgegenzuwirken? Das Urteil ist nur zum
Teil zu begrüßen, da hier die fehlende Konkretisierung, was unter einer mißbräuchlichen
Kettenbefristung zu verstehen ist, zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen kann. Eine
umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls könnte mit groben
Orientierungshilfen die etwaige Rechtsunsicherheit vermeiden. In diesem Zusammenhang
erscheint es jedenfalls zweifelhaft, ob dem mit einer Gesamtdauer oder einer maximalen
Anzahl von Befristungsbegrenzungen entgegengewirkt werden, da sich dies als
Konsequenz eher suboptimal auf die Praxis und für den Arbeitnehmer auswirken würde.
Einerseits ist nämlich in größeren Betrieben häufiger mit einem Vertretungsbedarf zu
rechnen (z.B. Krankheitsfälle, Elternzeit, Mutterschutz o.Ä.) und anderseits ist nicht
auszuschließen, dass ein Arbeitgeber bei Erreichen der maximalen Anzahl befristeter
Arbeitsverträge einen neuen Arbeitnehmer als Vertretungskraft einstellt, anstatt die vorher
beschäftigte Vertretungskraft nun unbefristet zu beschäftigen. Die erwünschte
Konsequenz unbefristeter Arbeitsverträge wäre folglich nicht erreicht. Vielmehr förderte
eine exakte Begrenzung maximal zulässiger Befristungen die Einstellung neuer, zuvor
noch nicht befristet beschäftigter Arbeitnehmer. Das sozialpolitische Problem wäre also
durch eine Höchstgrenze befristeter Arbeitsverhältnisse nicht gelöst. Jedoch muss man
von der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte verlangen können, dass grobe
Orientierungshilfen gegeben werden, um zumindest ein gewisses Maß an
Rechtssicherheit zu finden. So ließe sich etwa mit einer Verteilung der Darlegungs- und
Beweislast arbeiten. Ab einer erheblichen und mehrfachen Überschreitung der
grundsätzlich sachgrundlos zulässigen Gesamtbefristungsdauer von zwei Jahren ist von
einem Rechtsmissbrauch auszugehen, wenn der Arbeitgeber dies nicht durch den Vortrag
besonderer Umstände entkräften kann.
Die Entwicklung der Rechtsprechung bleibt spannend…