Der EuGH hat mit einer Entscheidung vom 13.5.2014 den Schutz personenbezogener Daten verbessert. Wie weit geht der Schutz und wann können Privatpersonen Ansprüche geltend machen? Im Ergebnis ist das Urteil wohl nur anwendbar, wenn eine Suche mit dem Namen der Person zu nachteiligen Ergebnissen führt, in anderen Fällen hingegen nicht – welche Weiterungen das haben wird, wird man wohl erst sehen, wenn weitere Entscheidungen ergangen sind. Hier sind kurz die wichtigsten Gedanken der Entscheidung zusammengefasst.
Worum ging es?
Ein spanischer Staatsbürger hatte von Google Spanien die Löschung bestimmter Suchergebnisse verlangt. Bei Eingabe seines Namens wurden Links zu zwei Seiten der Tageszeitung La Vanguardia vom 19. Januar bzw. 9. März 1998 angezeigt, aus der ersichtlich war, dass die Zwangsversteigerung seines Grundstücks wegen offener Forderungen betrieben wurde. Das hielt der Kläger für rufschädigend und verlangte die Beseitigung. Die spanische Datenschutzbehörde (AEPD) hielt die Einwände für richtig und verlangte von Google die Beseitigung (anders als von der zunächst ebenfalls in Anspruch genommenen Tageszeitung). Dagegen klagte Google. Im Wege des sog. Vorabentscheidungsverfahrens wurde dem EuGH die Frage vorgelegt, welche Verpflichtungen die Suchmaschinenbetreiber hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten von betroffenen Personen bei der Angabe von Suchergebnissen träfen.
Was ist der rechtliche Rahmen?
Maßgeblich ist die europäische Datenschutzrichtlinie, die die Verarbeitung personenbezogener Daten verbietet. Die Mitgliedstaaten können regeln, dass und wann im öffentlichen Interesse eine Verarbeitung personenbezogener Daten ausnahmsweise erlaubt ist. Zudem ist sie möglich, wenn der Betroffene einwilligt. Das hatte der Kläger im Ausgangsverfahren natürlich nicht getan.
Datenverarbeitung?
Google hatte sich damit verteidigt, es nehme gar keine Verarbeitung personenbezogener Daten vor. Schließlich unterschieden die Suchmaschinen nicht zwischen personenbezogenen und anderen Daten. Google greife auch nur auf Daten zurück, die sowieso schon veröffentlicht und im Internet zugänglich sind. Damit kann es sich aber nicht aus der Datenschutzrichtlinie verabschieden, denn auch das zugänglichmachen über die Suchmaschine ist nach Auffassung des EuGH Datenverarbeitung im Sinne der Richtlinie.
Territorialitätsprinzip?
Google hat seinen Hauptsitz in den USA. Die weltweite Suche wird von dort aus durchgeführt. Google hatte sich deshalb darauf berufen, es verarbeite keine Daten von einer Niederlassung im Anwendungsbereich der Richtlinie, nämlich in der Europäischen Union. Daher sei die Richtlinie und das sie umsetzende spanische Recht für Google nicht anwendbar. Weil es aber auch eine spanische Niederlassung gibt, nimmt der EuGH an, dass die Aktivitäten von Google. Inc. „im Rahmen der Tätigkeiten“ von Google Spain erfolgten, so dass die Regelungen anwendbar waren. Das ist bemerkenswert, denn sonst wurde immer wieder bezweifelt, ob auf die Tätigkeit von Unternehmen außerhalb der EU überhaupt das europäische Datenschutzrecht anwendbar ist. Dafür wurden die umstrittenen sog. „safe harbor“-Vereinbarungen getroffen.
Was muss Google beachten?
Google verweist auf bestehende Seiten, die Seitenbetreiber sind für die Inhalte verantwortlich. Google hatte daher eingewendet, wenn ein Privater die Löschung von Daten verlangen wolle, müsse er sich zunächst an den Betreiber der Seite – hier also die Tageszeitung – wenden.
Das Gericht meint dagegen, dass die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten gerade durch die Suchergebnisse beeinträchtigt werden, wenn bei der Suche mittels des Namens nachteilige Informationen angezeigt werden, die geeignet sind, den Ruf des Betroffenen zu schädigen. Der Betroffene müsse sich nicht an den Betreiber wenden, der ja eventuell gar nicht im Anwendungsbereich der Regeln ansässig ist (das galt für die Tageszeitung allerdings nicht) und der möglicherweise besondere Freiheiten, etwa die Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen kann (das galt für die Tageszeitung).
Für welche Suchanfragen gilt das?
Die Entscheidung bezieht sich auf Suchanfragen, die konkret mit dem Namen der betreffenden Person durchgeführt werden. Nur dann ist der Bezug zur betreffenden Person so eng, dass eine Persönlichkeitsrechtsverletzung zu befürchten ist. Wenn nachteilige Informationen bei einer anderen Suchanfrage (z.B. der nach dem Grundstück, um das es im Ausgangsfall ging oder nach einer bestimmten Ausgabe der Zeitung) herauskommen, ist das wohl von der Entscheidung nicht umfasst.
Die Informationen sind nur zu löschen, wenn sie „nicht mehr relevant“ sind und deshalb die Abwägung zwischen den Informationsinteressen der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgeht. Das ist vage und gibt Privatpersonen, die einen entsprechenden Antrag bei Google stellen, wenig Rechtssicherheit. Im konkreten Fall waren 16 Jahre vergangen, das ist lang. Aber was ist mit dem peinlichen Foto vom Abiturball, das man auch drei Jahre später bei der Bewerbung um die erste Arbeitsstelle nicht mehr gefunden wissen möchte? Hier sind noch viele Fragen offen.
Es ging auch nicht um die Anwendung, in der Suchanfragen automatisch durch bestimmte persönlichkeitsrechtsverletzende Begriffe ergänzt werden, wie es im Zusammenhang mit Frau B. Wulff diskutiert und hinsichtlich eines anderen Falles vom BGH bereits entschieden ist. Hier dürfte auch europarechtlich aber eine Parallele anzunehmen sein.
Es ist eine weitere Schwierigkeit zu bedenken: Die Rechte gelten nur für Anzeigen im Anwendungsbereich der Datenschutzverordnung, also nicht für jemanden, der die entsprechende Information in Kalifornien abrufen möchte. Dort kann die Verbindung daher bestehen bleiben. Bedeutet das, dass möglicherweise praktisch der Umfang erreichbarer Informationen in verschiedenen Regionen noch unterschiedlicher wird?
Datenschutz-Grundverordnung und Recht auf Vergessen
Wie sich die Frage weiterentwickelt, ist spannend. Dies insbesondere, weil geplant ist, die Richtlinie durch eine Datenschutz-Grundverordnung zu ersetzen, die möglicherweise ein Recht auf Vergessen explizit regeln wird. Ob und wann das Vorhaben umgesetzt wird, bleibt aber natürlich abzuwarten.
Das Urteil spricht sich klar für den Schutz einzelner in der digitalen Gesellschaft aus. Die vertretene Auffassung ist von einer kontinentaleuropäischen Mentalität des Datenschutzes geprägt und widerspricht sicherlich vielen Meinungen der zukunftsweisenden Unternehmen im Südwesten der USA.
Zirka zwei Jahre nach dem Urteil ist es nun jedem möglich, unerwünschte Suchergebnisse mit einem Formular bei Google auszublenden. Dennoch bleiben die Informationen beim Suchportal gespeichert und eine praktische Umsetzung des Auskunftsanspruchs nach §34 BDSG bleibt abzuwarten.
Link zum Formular zur Ausblendung von Suchergebnissen bei Google: https://support.google.com/legal/contact/lr_eudpa?product=websearch&hl=de