An anderer Stelle in diesem Blog haben wir darauf hingewiesen, dass nach § 52 a UrhG Hochschulen „kleine Teile eines Werkes“ ihren Studierenden auf geschlossenen Plattformen zur Verfügung stellen dürfen. Offen war, was ein „kleiner Teil“ eines Werkes ist. Nun hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 28.11.2013, die Ende April  veröffentlicht wurde, Klarheit geschaffen: Bis zu 12 % eines Buches, aber nicht mehr als 100 Seiten, dürfen Lehrende ihren Studierenden im Rahmen des E-Learning zur Verfügung stellen. Dabei ist nicht nur das Lesen, sondern auch das Herunterladen, Abspeichern und Ausdrucken zulässig. Der Verlag kann eine Lizenz für die elektronische Nutzung anbieten, die mit einem angemessenen Lizenzentgelt vergütet werden muss. Dann muss die Hochschule dieses Angebot annehmen und darf die Inhalte nicht mehr ohne Zahlung eines Lizenzentgeltes nach § 52 a UrhG bereitstellen.

Grundlage: § 52 a UrhG

Generell dürfen urheberrechtlich geschützte Werke nur zum eigenen Gebrauch vervielfältigt werden (Privatkopie). Auch die Veröffentlichung steht nur dem Inhaber des Urheberrechts zu. Das bedeutet, dass ohne eine besondere gesetzliche Ermächtigung keine Dateien, an denen fremde Urheberrechte bestehen, auf E-Learning-Plattformen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Zeitlich befristet bis Ende 2014 macht § 52 a UrhG hiervon eine Ausnahme und stellt klar, dass kleine Teile eines Werkes im Rahmen des Unterrichts zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Vorschrift ist eine der wenigen, die ein automatisches „Verfallsdatum“ haben. Sie sollte Ende 2012 auslaufen, kurz zuvor hat der Bundestag ihren zeitlichen Anwendungsbereich um zwei Jahre verlängert (wir haben darüber berichtet). Manche haben verlangt, dass die Vorschrift gleich gänzlich unbefristet beibehalten werden solle. Dem hat sich der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages jedoch nicht angeschlossen, weil er zunächst abwarten wollte, welche Auslegung vom Begriff „kleiner Teil eines Werks“ der Bundesgerichtshof wählen würde. Diese Klarheit ist nun geschaffen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

12 % eines Werkes sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nunmehr wohl noch als „kleiner Teil“ zu werden. Die absolute Obergrenze liegt bei 100 Seiten. Gäbe es eine solche absolute Obergrenze nicht, wären große, eventuell mehrbändige Handbücher benachteiligt, weil dann auch sehr große Abschnitte aus diesem Werk zur Verfügung gestellt werden können.
Wichtig ist, dass der Bundesgerichtshof klargestellt hat, dass die Weitergabe an die Studierenden nicht nur darin bestehen muss, dass diese den Text am Bildschirm lesen dürfen. Vielmehr dürfen Studierende den Text herunterladen und ausdrucken. Wer dieses Zur-Verfügung-Stellen verhindern möchte, muss eine Lizenz zur elektronischen Nutzung anbieten, für die ein angemessenes Entgelt gefordert werden darf. Dann muss die Hochschule auf das Angebot eingehen. Solche Lizenzen gibt es in erheblicher Zahl. Die HWR Berlin etwa hat schon eine große Zahl von E-Books im Katalog, die Studierende mit ihrer Kennung für die Bibliothek zuhause am Bildschirm lesen können. Besteht eine solche Lizenz oder wurde sie angeboten, darf die Hochschule die entsprechenden Texte nicht als Scan auf einer Plattform zur Verfügung stellen.

Fachaufsätze

Fachaufsätze wird man als Dozent immer vollständig zur Verfügung stellen wollen. Das ist auch möglich; § 52 a UrhG erlaubt,

Werke geringen Umfangs sowie einzelne Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften

als Ganze auf einer Plattform zur Verfügung zu stellen.

Klärung für die Praxis

Das Urteil ist sehr zu begrüßen. Mit der klaren quantitativen Angabe lässt sich gut arbeiten, die Abgrenzung ist ohne weiteres möglich. Dozenten müssen sich lediglich vergewissern, oft der Text bereits als E-Book zur Verfügung steht – dann wäre das Hochladen auf die E-Learning-Plattform unabhängig von der Größe des Ausschnittes nicht zulässig.

Den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD für die 18. Legislaturperiode kann man möglicherweise so verstehen, dass nun eine Dauerregelung für die „digitale Lernmittelfreiheit“ geschaffen werden soll. Das würde wohl eine Abschaffung des „Verfallsdatums“ bedeuten. Auf die Initiative des Gesetzgebers sind wir gespannt und werden darüber berichten.