Der Bundesgerichtshof hat erneut eine lesenswerte Entscheidung zum Auskunftsrecht des Aktionärs erlassen und sich dabei damit auseinandergesetzt, ob die in § 131 AktG enthaltene Einschränkung der Informationsrechte von Aktionären mit der Aktionärsrechterichtlinie vereinbar ist. Ein Aktionär der Deutschen Bank hatte im Zusammenhang mit dem Erwerb des Bankhauses Sal Oppenheim durch die Deutsche Bank im Rahmen der Hauptversammlung Fragen zum Zustandekommen, zur Beteiligung des Aufsichtsrats und zur Risikostruktur des Geschäfts gestellt. Weil er diese für nicht ausreichend beantwortet hielt, versuchte er, die Auskunft auf seine Fragen im Gerichtswege geklärt zu erhalten. Der Bundesgerichtshof hielt die Antworten aber – obwohl sie teilweise nur kursorisch waren – für hinreichend. Hätte der Aktionär genauere Informationen gewünscht, hätte er nachfragen müssen.

Das Auskunftsrecht des Aktionärs

Anders als der Gesellschafter einer GmbH, der nach § 151 GmbHG fast uneingeschränkte Informationsrechte hat, erhält der Aktionär im wesentlichen nur bei der Hauptversammlung Informationen und dort auch nur diejenigen, die er zur Beurteilung eines Tagesordnungspunktes benötigt und nur dann, wenn er entsprechend gefragt hat. Damit soll die Hauptversammlung entlastet werden und die Gesellschaft vor unberechtigten Anfechtungsklagen, die auf Informationsmängel gestützt sind, geschützt werden. Die Regelung ist im Zuge der Modernisierung des Beschlussmängelrechts durch das UMAG 2005 verschärft worden.

Maßstab für die „Erforderlichkeit“ eines Auskunftsverlangens ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs (z.B. im Fall Kirch/Deutsche Bank) der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt

Aktionärsrechterichtlinie

Art. 9 Abs. 1 der Aktionärsrechterichtlinie lautet:

Jeder Aktionär hat das Recht, Fragen zu Punkten auf der Tagesordnung der Hauptversammlung zu stellen.

Hier ist das Fragerecht nicht auf Punkte beschränkt, deren Beantwortung zur Beurteilung des Tagesordnungspunktes nach objektivierten Maßstäben erforderlich ist. Vielmehr sieht der Bundesgerichtshof das Fragerecht hier als uneingeschränkt an. Er meint aber zu Recht, dass das Erforderlichkeitserfordernis aus § 131 AktG, das dieses Fragerecht einschränkt, nach Art. 9 Abs. 2  und 3 der Richtlinie zulässig ist. Dort ist geregelt:

Fragerecht und Antwortpflicht bestehen vorbehaltlich etwaiger Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen oder den Gesellschaften zu ergreifen gestatten, um die Feststellung der Identität der Aktionäre, den ordnungsgemäßen Ablauf von Hauptversammlungen und ihre ordnungsgemäße Vorbereitung sowie den Schutz der Vertraulichkeit und der Geschäftsinteressen der Gesellschaften zu gewährleisten. 2Die Mitgliedstaaten können den Gesellschaften gestatten, auf Fragen gleichen Inhalts eine Gesamtantwort zu geben.

Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass eine Frage als beantwortet gilt, wenn die entsprechende Information bereits in Form von Frage und Antwort auf der Internetseite der Gesellschaft verfügbar ist.

Ausführlich erörtert der Bundesgerichtshof die Frage, ob diese Ausnahmeregelung nur organisatorische Maßnahmen der Versammlungsleitung betrifft (wie z.B. die Beschränkung der Redezeit), oder ob auch inhaltliche Einschränkungen des Fragerechts möglich sind. Weil mit der Aktionärsrechterichtlinie nach deren Erwägungsgründen Mindestnormen zum Schutz der Anleger und zur Förderung einer reibungslosen und wirksamen Ausübung der mit Stimmrechtsaktien verbundenen Rechte der Aktionäre gefunden werden sollen und weil Zweck der Richtlinie zudem ist, dafür zu sorgen, dass die Aktionäre ihr Stimmrecht in informierter Weise ausüben, entscheidet der Bundesgerichtshof hier im Interesse einer inhaltlichen Beschränkung: Es genügt, wenn der Aktionär die Informationen erhält, die ihn in den Stand versetzen, auf informierte Weise eine Entscheidung über die Ausübung seines Stimmrechts zu treffen. Weitergehende Informationsrechte könnten entweder Beschlussmängel auslösen oder die Hauptversammlung zeitlich ausufern lassen, was nicht im Aktionärsinteresse liegt.

Eigene Entscheidung des Bundesgerichshofs statt Vorlage an den EuGH

Fragen der Auslegung von Europarecht entscheidet grundsätzlich nicht die nationale Rechtsprechung, sondern der Europäische Gerichtshof. Für oberste Gerichte wie den Bundesgerichtshofs postuliert Art. 267 AEUV sogar eine Vorlagepflicht, wenn es um eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage geht. In klaren Fällen, bei denen Zweifel an der Auslegung des Europarechts bestehen, darf allerdings das nationale Gericht die Frage auch selbst entscheiden (so die sog. „acte claire“-Doktrin des EuGH). Hierauf beruft sich der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung.

Nachfrageerfordernis

Neu an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist, dass die Abhänigkeit der Antwortintensität von der Präzision der Frage sehr deutlich hervorgehoben wird. Stellt ein Aktionär eine breit formulierte Frage wie im entschiedenen Fall die Frage nach der Behandlung von Risiken der Transaktion im Aufsichtsrat, so genügt eine kursorische Antwort. Ist der Aktionär der Auffassung, dass er mit dieser Antwort noch keine hinreichende Basis für seine Entscheidung (im konkreten Fall über die Entlastung der Organmitglieder) erhalten hat, so muss er eine Nachfrage stellen oder anders signalisieren, dass ihm die Auskunft nicht reicht. Dann erst beginnt möglicherweise eine neue Antwortpflicht des Vorstands.

Fazit

Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung erneut zwischen Aktionärsrechten und dem Interesse an einem zügigen Ablauf der Hauptversammlung zugunsten der letzteren abgewogen. Der Minderheitsaktionär muss sich damit abfinden, dass seine Rechte stark beschnitten sind. Zu verdanken hat er das der Minderheit sogenannter „räuberischer Aktionäre“, die durch missbräuchliche Beschlussmängelklagen den Gesetzgeber hier mit massiven Einschränkungen der Aktionärsrechte erst auf den Plan gerufen haben.