Die Gegner sprechen von „Jura Light“, wenn sie von den wirtschaftsrechtlichen Studiengängen sprechen, die seit nunmehr 20 Jahren an Fachhochschulen angeboten werden. Nichts ist weniger wahr als das! Wirtschaftsrechtsstudiengänge sind ein Erfolgsmodell, was etwa die stark gestiegenen Studierendenzahlen belegen. Anlässlich des Jubiläums: Es lohnt sich, die Besonderheiten dieser Studiengänge noch einmal hervorzuheben.

FH Mainz ist Pionier

Im Wintersemester Wintersemester 1993/1994 startete der erste wirtschaftsrechtliche Studiengang an der FH Mainz. Diplomjurist war die Abschlussbezeichnung, mit der die Absolvent/innen sich schmücken konnten.  Schon ein Semester später folgte die Fachhochschule Lüneburg. Im Jahr 2005 hat die HWR Berlin, noch als Fachhochschule für Wirtschaft, Berlin, einen wirtschaftsrechtlichen Studiengang eingeführt. Unterdessen beginnen 70 Studierende jährlich ihr Wirtschaftsrechtsstudium an der HWR Berlin, hinzu kommen 35 Studienplätze im Master Unternehmensrecht im internationalen Kontext. Verglichen mit der langen Erfahrung der ersten Fachhochschulen ist das kurz, mit neun Professoren im Recht ist der Fachbereich Wirtschaft mit seinem Wirtschaftsrechtsstudiengang allerdings sehr gut aufgestellt.

Ein Praxissemester war von Anfang an in beiden Fachhochschulen Pflicht. Aus Sicht der Universitäten war die Einführung als problematisch angesehen worden: Man fürchtete offenbar die Konkurrenz der viel praxisorientierter ausgerichteten Studiengänge an den Fachhochschulen. Seither allerdings hat sich auch in der juristischen Ausbildung an Universitäten einiges getan. Man kopiert das Erfolgsmodell der Fachhochschulausbildung, integriert Praxisprojekte und Schlüsselqualifikationen in das Studium und macht sich bewusst, dass nicht alle Studierenden des Rechts in die klassischen juristischen Berufe einsteigen. Nicht verständlich ist, weshalb die Fachhochschulausbildung gleichwohl noch immer mit gewissen Vorbehalten betrachtet wird: Auch die Betriebswirtschaftslehre wird schließlich – mit unterschiedlichem Fokus – an Fachhochschulen und Universitäten gleichermaßen mit Erfolg unterrichtet. Eine solche Zweigleisigkeit schadet auch einem großen Fach wie der Rechtswissenschaft natürlich keinesfalls.

Die Studierendenzahlen steigen

Seither hat sich die Zahl der Studierenden in Wirtschaftsrechtlichen Studiengängen an Fachhochschulen sehr erhöht. Über 12.000 Studierende waren im Wintersemester 2011/2012 in solchen Studiengängen eingeschrieben. In der Wirtschaftsrechtlichen Hochschulvereinigung sind 24 Fachhochschulen mit solchen Studiengängen vereint, darunter die Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin. Die WHV hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsame Qualitätsstandards zu entwickeln, über die gemeinsamen Standards Vergleichbarkeit herzustellen und damit den Absolventen ihrer Studiengänge den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Das scheint auch gelungen zu sein, denn die Absolventinnen und Absolventen haben hervorragende Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind in Banken und Versicherungen, Wirtschaftsprüfung-und Steuerberatungsgesellschaften ebenso aktiv, wie in Verbänden, Unternehmen, in der Insolvenzverwaltung oder der Unternehmensberatung. Die meisten Hochschulen haben, dem Bologna Prozess folgend, ihre Studiengänge vom Diplom auf ein Bachelor-und Master System umgestellt.

Was fehlt?

Gegenwind war für das Wirtschaftsrecht spürbar, als Justizministerin Zypries das Rechtsberatungsgesetzes reformiert hat. Der intensiven Lobbyarbeit der Rechtsanwälte haben wir zu „verdanken“, dass nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz eine selbstständige Rechtsberatung durch Wirtschaftsjuristen weiterhin nicht möglich ist. Ihre Tätigkeit wurde mit der Rechtsberatung durch Autoreparateure, Architekten oder Klempner auf eine Ebene gestellt. Obwohl die Polemik durchsichtig und leicht erkennbar war, hatte sie Erfolg: lediglich die unentgeltliche (!) Rechtsberatung steht den Absolventen von Rechtsstudiengängen an Fachhochschulen offen.

Geburtstagswünsche

Zum 20. Geburtstag kann man schon einmal gratulieren. Es bleiben aber auch Wünsche für die Zukunft. Dazu gehört insbesondere, dass die so genannten „Volljuristen“, die man vielleicht auch als „Nur-Juristen“ bezeichnen könnte, ihre Vorbehalte gegen die Absolventen wirtschaftsrechtliche Studiengänge aufgeben. Der Wirtschaftsjurist ist ein anderer, nicht ein schlechterer Jurist. Er (oder sie) kennt die wirtschaftlichen Zusammenhänge, liest Bilanzen, ist in Steuerfragen ausgebildet und findet Lösungen für juristische Fragestellungen. Das in die Zukunft gerichtete Berufsbild ist also ein anderes als das des klassischen Juristen, der bereits abgeschlossene Sachverhalte beurteilt und aus ihnen resultierende Streitfragen erledigt. Der Wirtschaftsjurist ist dafür ausgebildet, diese Streitfragen gerade zu vermeiden. Ein Zugang zur Rechtsberatung, inhaltlich beschränkt auf das Wirtschaftsrecht, muss den Wirtschaftsjuristen danach unbedingt gewährt werden. Hier sollte der Gesetzgeber dringend nachbessern. Die Ausbildung der Wirtschaftsjuristen ist hervorragend.

Manche Angehörigen der klassischen juristischen Berufe haben das verstanden. Zunehmend stellen auch große Rechtsanwaltskanzleien Wirtschaftsjuristen ein. Ihre Kenntnisse im Vertragsmanagement, aber auch in den klassischen wirtschaftsnahen Rechtsdisziplinen wie dem Arbeitsrecht und dem Gesellschaftsrecht, sind gefragt. Hinzu kommt, dass Absolventinnen und Absolventen den Arbeitsmarkt viel jünger erreichen, so dass genügend Zeit für den Erwerb von Zusatzqualifikationen, etwa das Absolvieren der Steuerberater- oder des Wirtschaftprüferexamen, bleibt.

Eine gute Kooperation der verschiedenen Ausbildungsgänge, ein vertrauensvoller und von Respekt getragener Umgang miteinander, möglichst auch eine Kooperation zwischen Universitäten und Fachhochschulen, wären wünschenswert. Darf man sich das zum 20. Geburtstag wünschen?