Arbeitszeugnisse sind in der heutigen Berufswelt nicht mehr wegzudenken. Sie sind ein wichtiges Werkzeug, um sich als geeigneten Arbeitnehmer bei einem potenziellen Arbeitgeber vorzustellen. Und wichtig ist: Wie schaut die Gesamtbeurteilung überhaupt aus? Ob sich ein Arbeitszeugnis noch im guten Durchschnitt befindet oder nicht, kann schon allein von den Wörtern „stets“, „vollen“ und „vollsten“ abhängig sein. Denn diese machen den kleinen Unterschied aus, ob ein Arbeitnehmer mit seinem ausgehändigten Arbeitszeugnis die Benotung „sehr gut“ bis „gut“ hat oder man sich bereits im negativ betrachteten „befriedigend oder schlechter“ befindet. Und somit lässt ein eventuell schlechtes Arbeitszeugnis die Qualifikationen und Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers für zukünftige Arbeitgeber häufig zu unrecht schlecht aussehen. Eine Berliner Angestellte war unzufrieden mit der Benotung ihres Arbeitszeugnisses. Sie wollte ihre Gesamtbeurteilung von „befriedigend“ auf „gut“ korrigieren lassen und ihr wurde dafür kürzlich vom Berliner Arbeitsgericht Recht zugesprochen – ein Urteil was Experten überrascht. Zum Urteil
Arbeitszeugnisse sind stets ein heikles Thema – sei es von Arbeitgeber – oder Arbeitnehmerseite.
Was ist ein Arbeitszeugnis?
Das Arbeitszeugnis ist eine vom Arbeitgeber erstellte Urkunde über ein Dienstverhältnis. Es ist eine schriftliche Bescheinigung der die Dauer, den Inhalt und den Verlauf des Dienstverhältnisses des Arbeitnehmers attestiert. Dieses Dokument gibt einem Dritten gegenüber Auskunft darüber, welche Kenntnisse und Qualifikationen der Arbeitnehmer bei dem vorherigen Arbeitgeber erworben hat. Nach der Rechtsprechung muss das Zeugnis „wohlwollend“ formuliert sein, um den Arbeitnehmer das „berufliche Fortkommen nicht zu erschweren“. Ein Zeugnis darf keine doppelbödigen Formulierungen enthalten; die Zeugnisaussagen müssen also eindeutig sein, klar und verständlich formuliert.
Die Welt der Geheimcodes
Dabei fängt das ganze Problem erst richtig an: Welches sind die richtigen Worte, um ein angemessenes qualifiziertes Zeugnis auszustellen, damit beide Parteien zufrieden sind? Denn es ist nicht unbekannt, das – gegensätzlich zum § 109 II GewO – bestimmte „Schlüsselwörter“ eine Benotung/Beurteilung darstellen und es „Geheimcodes“ unter Arbeitgebern gibt, die das Verhalten und auch die Qualifikationen des Arbeitnehmers bewerten, die nicht für den Arbeitnehmer leicht zu „entschlüsseln“ sein sollen, weil sie überwiegend negativ sind. Oder, es gibt auch Arbeitgeber, die keine Kenntnisse darüber verfügen, ein qualifiziertes und vor allem ein richtiges Zeugnis aufzustellen.
Grundlegende Unterschiede
Dabei sind zwei Arten von Zeugnissen zu unterscheiden die ein Arbeitnehmer nach deutschem Recht frei wählen darf:
- einfaches Arbeitszeugnis bzw. Arbeitsbescheinigung
- qualifiziertes Arbeitszeugnis
Die einfache Arbeitsbescheinigung enthält lediglich Angaben zu Beginn und Ende, sowie auch die Art der Tätigkeit. Enthält also nur die gesetzlichen Mindestanforderungen die ein einfaches Zeugnis enthalten soll.
Das qualifizierte Arbeitszeugnis hingegen enthält zusätzlich eine Beurteilung des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Leistung und seines Verhaltens. Der Zeugnisanspruch ergibt sich aus dem Gesetz und aus den Tarifverträgen. Seit dem 1. Januar 2003 gilt für alle Arbeitnehmer der § 109 der GewO. Deutschland und die Schweiz sind die einzigen Länder in Europa, in denen es einen gesetzlichen Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis gibt.
Tatbestand
Es geht um die Korrektur eines Arbeitszeugnisses, das eine Berliner Angestellte von ihrem ehemaligen Arbeitgeber verlangt hatte. Sie wollte ihre „Zeugnisnote“ von „befriedigend“ auf „gut“ mit dem Zusatz „stets“ verbessern lassen, während der Arbeitgeber lediglich bereit war, die Leistung als Durchschnitt („zu unserer vollen Zufriedenheit“) zu bewerten (entfällt in der Formulierung der Begriff „stets“, handelt es sich um ein befriedigend)
Bisher galt die Regel, dass der Arbeitgeber, wenn er eine schlechtere Note als „befriedigend“ ausstellt, nachweisen muss das es eine Tatsache ist. Umgekehrt musste der Beschäftigte begründen, warum er eine bessere Note als „befriedigend“ verdient hat.
Das Berliner Arbeitsgericht hat nun diese Regel gebrochen.
Urteil
Das Arbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber letztendlich dazu, die Gesamtbeurteilung der Klägerin aufzuwerten von „zur vollen Zufriedenheit“ (befriedigend) zu „stets zur vollen Zufriedenheit“ (gut).
Wieso der Arbeitgeber in diesem Fall in die Beweislast gefallen ist nachzuweisen das die Klägerin nicht besser als „befriedigend“ bewertet werden sollte, begründete das Arbeitsgericht folgendermaßen:
Angesichts aktueller empirischer Erkenntnisse, wonach mittlerweile in 86,6 v.H. der erteilten Arbeitszeugnisse „gute“ oder bessere Leistungen bescheinigt werden, kann dem Arbeitnehmer nicht länger der Nachweis dafür auferlegt werden, er sei in die Gruppe der schwächsten 13,4 v.H. aller Beschäftigten zu Unrecht eingereiht worden.
Viele Experten, darunter auch ein Bremer Anwalt für Arbeitsrecht, Klaus-Dieter Franzen, war sehr überrascht über diese Entscheidung und meinte, das das Urteil gegensätzlich zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wäre. Weiter sagte er, dass die Begründung des Berliner Arbeitsgerichts keine Belege dafür enthielte, ob den empirischen Quellen zu vertrauen ist. Und auch in rechtsdogmatischer Sicht hätte sie keinen Bestand mit ihrer Begründung und würde daher nur eine „Ausnahme“ bleiben.
Fazit
Auch wenn dieses Urteil nur als „Ausnahme“ gelten sollte, können und sollten wir folgendes daraus lernen:
Wenn ein Arbeitszeugnis ausgestellt wird, sollte dieses immer kritisch betrachtet werden. Am besten man lässt dieses von einem Experten, sei es von einem Anwalt für Arbeitsrecht oder zumindest von einem der sich gut damit auskennt, überprüft werden. Auch Online bieten sich viele Möglichkeiten den Geheimcodes der Arbeitgeber auf die Spur zu kommen. Und stellt sich heraus das ein Arbeitszeugnis nicht den Tatsachen und Leistungen entspricht die einem zustehen, dann hat man das Recht, sein Zeugnis nachbessern zu lassen. Weigert sich der Arbeitgeber, sollte dieses vor dem zuständigen Arbeitsgericht angefochten werden.
Aber: Handelt es sich um ein Zeugnis über unterdurchschnittlichen Leistungen, muss der Arbeitgeber belegen, dass der Arbeitnehmer wirklich so schlecht gearbeitet hat. Bei einem durchschnittlichen Zeugnis hingegen liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer, siehe Rechtsprechung.
Ein Problem ist vor allem die Unsicherheit vieler Manager im Umgang mit der Positivskala. Besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen ohne Personalabteilung schreibt der Vorgesetzte häufig selbst die Beurteilung, ohne sich der Fallstricke bewusst zu sein, die eine einwandfreie Formulierung mit sich bringt. So könnte er über einen Außendienstmitarbeiter in ehrlicher Anerkennung schreiben: „Mitarbeiter Muster wusste sich stets gut zu verkaufen und war auch nach den Verkaufsgesprächen, aufgrund seiner Bildung und offenen Art, ein gesuchter Gesprächspartner. Wir wünschen viel Erfolg für seine Zukunft.“ Übersetz bedeutet dies aber: „Mitarbeiter Muster tat selbst nicht viel und schmeichelte sich ein, er war vorlaut und führte lange Privatgespräche. Erfolg hatte er bei uns zu keinem Zeitpunkt.“ Wenn man sich vor Augen führt, dass die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen arbeitet, kommen berechtigte Zweifel an der Objektivität der Arbeitszeugnisse auf. Aufgrund der Noteninflation, begonnen durch die Unternehmen und nun unterstützt durch die Rechtsprechung (s.o.), werden diese Unsicherheiten verstärkt. Sie geht nämlich zu Lasten der wirklich guten Leistungen, die bald nicht mehr vom Durchschnitt unterschieden werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Verwässerung der Arbeitszeugnisse weiter geht und in Zukunft keine eindeutigen Urteile aufgrund der Bewertungen mehr möglich sind. Da für Unternehmen Fehlbesetzungen sehr teuer sind, könnte der Trend vermehrt zu IQ-Tests und Assessment Centern gehen, um so die Spreu vom Weizen trennen zu können.
Der Arbeitgeber ist hier wirklich in einer verzwickten Lage. Zum einen soll das Arbeitszeugnis für den ausscheidenden Mitarbeiter wohlwollend sein um ihm für die Zukunft keine Steine in den Weg zu legen. Zum anderen dient das Arbeitszeugnis gleichzeitig nicht nur als Visitenkarte des Arbeitnehmers, sondern auch des ausstellenden Arbeitgebers. Die unsichere Rechtslage könnte beim alten Arbeitgeber zu dem Gedanken führen: „Gut, dann erstelle ich das Arbeitszeugnis bewusst wohlwollender als es eigentlich den Tatsachen entspricht um damit das Risiko eines möglichen Rechtsstreites mit dem verbundenen Zeit- und Kostenaufwand völlig zu vermeiden. Der Arbeitgeber muss sich jedoch an den Äußerungen festhalten lassen, die im Zeugnis enthalten sind. Sofern das Zeugnis bewusst falsche Angaben enthält und der neue Arbeitgeber daraufhin in Vertrauen auf die Richtigkeit des Zeugnisses diese Person einstellt und es dadurch zum Schadenseintritt beim neuen Arbeitgeber kommt, kann dieser den alten Arbeitgeber unter Umständen dafür in Regress nehmen. Selbst wenn dies nicht geschieht, ist doch ein erheblicher Reputationsschaden für den alten Arbeitgeber zu vermuten.
Dieser Artikel hat einen guten Punkt, den wir mit unserem Arbeitszeugnis besser beachten müssen. Durch die Bewertung unseres eigenen Arbeitszeugnis würden wir herausfinden, wie unsere Leistung bei der Arbeit tatsächlich war. Es ist auch für den nächsten Job notwendig, somit könnte der nächste Personalvermittler die Fähigkeiten und Kenntnisse des jeweiligen Kandidaten in einer realen Praxis kennenlernen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir das Recht haben, diese Arbeitsbescheinigung zu erhalten und das Ergebnis unserer Leistung basierend auf dem, was wir bei der Arbeit gemacht haben, zu erhalten.