Das Thema Steuergerechtigkeit ist durch den Fall Uli Hoeneß mehr denn je im Fokus der breiten Öffentlichkeit. Auch die Erbschaftsteuer steht in Anbetracht der nahenden Bundestagswahl im September 2013 im Rampenlicht. So will etwa die Linke den Spitzensteuersatz von derzeit 50% auf 60% anheben und die persönlichen Freibeträge auf 150.000€ vereinheitlichen und reduzieren. Auch die Grünen kokettieren mit der Erbschaftsteuer; so soll sich durch Reformen das jährliche Steueraufkommen aus der Erbschaftsteuer gar verdoppeln. Tatsächlich fallen jährlich Erbschaften mit einem Volumen von etwa 230 Milliarden Euro in der Bundesrepublik Deutschland an – Tendenz stark steigend. Nie zuvor hat eine Generation von den Vermögenswerten ihrer Ahnen in dem Maße profitieren können, wie es die heutige „Generation Erbe“ kann. Auffällig sind allerdings vor allem starke Begünstigungen des Betriebsvermögens im derzeitigen Erbschaftsteuerrecht, die der BFH mittels eines Vorlagebeschlusses vom BVerfG auf deren Verfassungsmäßigkeit geprüft haben will.

I. Überblick

Bereits 2006 erklärte das BVerfG das ErbStG wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig und forderte den Gesetzgeber zur Nachbesserung auf. Vereinfacht gesagt wurde damals die Besteuerung von unterschiedlich bewerteten Vermögen mit einem einheitlichen Steuersatz moniert. Die nachgebesserte Fassung des ErbStG, in der der Gesetzgeber gravierende Änderungen bei den Verschonungs- und Abschlagsregelungen bezüglich des Betriebsvermögens vorgenommen hat, wurde von den Richtern des BFH in München erneut in ungewöhnlich deutlichem Ton kritisiert; durch eine verfehlte Gesetzestechnik führe es zu einer durchgehenden, das gesamte Gesetz erfassenden verfassungswidrigen Fehlbesteuerung. Wiederum sieht der BFH den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, nach dem wesentlich Gleiches rechtlich gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend ungleich zu behandeln ist. Im Steuerrecht erfährt der Gleichheitsgrundsatz seine Bedeutung vor allem im Grundsatz der Steuergerechtigkeit, wobei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen stets im Auge behalten werden muss.

II. Die strittigen Normen

Als verfassungswidrig sieht der BFH § 19 Abs. 1 ErbStG iVm. §§ 13a und 13b ErbStG an. Weil § 19 Abs. 1 ErbStG abhängig von der Steuerklasse einen identischen Steuertarif nach Maßgabe des steuerpflichtigen Erwerbs vorsieht, ergeben sich jedenfalls insoweit verfassungsrechtliche Bedenken, als dass Steuerbefreiungsnormen –  u.a. §§ 13a und 13b ErbStG –  den steuerpflichtigen Erwerb gleichheitswidrig mindern. §§ 13a, 13b ErbStG sorgen durch eine Verschonungsregel von 85% des Betriebsvermögens für eine Besserstellung gegenüber dem Privatvermögen (sog. Regelverschonung), sofern das Betriebsvermögen nicht überwiegend aus sog. Verwaltungsvermögen (§13b Abs. 2 ErbStG) besteht. Unter Verschärfung der einzelnen Voraussetzungen der §§ 13a, 13b ErbStG kann gar zu einer 100%igen Verschonung optiert werden (sog. Vollverschonung). So können etwa große Betriebe problemlos steuerfrei verschenkt oder vererbt werden, während bereits verhältnismäßig kleine Geldbeträge im Privatvermögen einen steuerpflichtigen Erwerb auslösen. Das BMF teilte mit, gerechtfertigt seien die Begünstigungen für Betriebsvermögen deshalb, weil die Arbeitsplätze in den vererbten bzw. verschenkten Betrieben nicht durch eine zu hohe Steuerlast des Erben gefährdet werden dürften.

III. In der Praxis

In der Praxis eröffnen die §§ 13a, 13b ErbStG allerdings einen beispiellosen Gestaltungsspielraum. So wird etwa umfangreich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Vermögensgegenstände, die nicht nur rein privater Natur sind, in Form von gewillkürtem Betriebsvermögen zu aktivieren und so in die nach §§ 13a, 13b ErbStG begünstigte Vermögensmasse einzulegen. Dies läuft der gesetzgeberischen Intention indes zuwider:  Solle doch Vermögen, das in erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient und in der Regel weder der Schaffung von Arbeitsplätzen dient, noch sonst zusätzliche volkswirtschaftliche Leistung bewirkt, gerade nicht von den Befreiungen der §§ 13a, 13b ErbStG profitieren.

Neben weiteren Gestaltungsmodellen, wie zB. der Hintereinanderreihung von GmbHs um das begünstigungsschädliche Verwaltungsvermögen unter geschickter Ausnutzung des § 13b Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ErbStG zu reduzieren, ist die wohl verblüffendste Möglichkeit – ob ihrer Einfachheit steuerfrei zu vererben bzw. zu verschenken – die Cash-GmbH. Es genügt vollkommen, eine GmbH zu gründen und sämtliche liquiden Mittel aus dem Privatvermögen einzulegen. Reine Sparanlagen und Festgeldkonten der Cash-GmbH gehören sodann nach ErbStG zum Betriebsvermögen, nicht etwa zum schädlichen Verwaltungsvermögen. So wird durch simpelste Gestaltung aus steuerpflichtigem Privatvermögen kurzerhand begünstigtes Betriebsvermögen.

Interessant ist ebenso, dass es bereits ein Werkzeug im ErbStG gibt, das den Förderungs- und Lenkungszielen des Gesetzgebers entspricht. Nach § 28 ErbStG kann die auf Betriebsvermögen entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahre gestundet werden, soweit dies zur Erhaltung des Betriebes nötig ist. Hier drängt sich die Inkonsequenz des Gesetzgebers geradezu auf. Während die sehr weitreichenden Begünstigungen aus §§ 13a, 13b ErbStG auch dann in Anspruch genommen werden können, wenn dies nicht zur Erhaltung des Betriebes nötig ist, setzt das weit weniger starke Werkzeug der Stundung eben dies aber voraus. Die gebotene Verhältnismäßigkeit scheint hier jedenfalls überdehnt.

IV. Fazit und Ausblick

In der Art und Weise ist der Vorlagebeschluss eine gellende Ohrpfeife für den Gesetzgeber, nachdem dieser das ErbStG bereits auf Mahnung des BVerfG nachgebessert hatte. Warum der Gesetzgeber trotz sehenden Auges keine differenzierte Ausgestaltung der Abschlags- und Begünstigungsnormen im ErbStG vorgenommen hat, bleibt in weiten Teilen ein Rätsel. Der BFH ist jedenfalls von einer verfassungswidrigen Überprivilegierung des Betriebsvermögens gegenüber dem Privatvermögen überzeugt, sofern die Begünstigung nicht von der Erhaltung der Arbeitsplätze abhängt. Für Steuerpflichtige ist das aktuelle ErbStG jedoch noch geltendes Recht und so sollten sich Schenkungswillige sputen, bevor sich das BVerfG der Meinung des BFH anschließt und das ErbStG verwirft. Die oben dargestellten Möglichkeiten sind auch im Hinblick auf missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) legitim und sollten noch ausgeschöpft werden.

Gleichzeitig werden Steuerbescheide allerdings nur noch unter dem Vermerk der Vorläufigkeit (§ 165 AO) ausgestellt. Insbesondere die Cash-GmbH birgt so die Gefahr einer rückwirkenden Gesetzesänderung zum Opfer zu fallen. Diese ist ausnahmsweise möglich, wenn der Vertrauensschutz in die bestehende Rechtslage nicht mehr gewährleistet ist. Der Zeitpunkt, an dem der Vertrauensschutz verloren ging, ist die Bekanntgabe des Beschlusses zum JStG 2013 durch den Vermittlungsausschuss am 12.12.2012. Dieser sah vor, das ErbStG dahingehend zu reformieren, als dass fortan auch Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen dem schädlichen Verwaltungsvermögen iSd. § 13b Abs. 2 ErbStG zuzurechnen sind. Die Möglichkeit der Gestaltung mittels der Cash-GmbH hätte das folglich unterbunden. Das JStG 2013 entwickelt sich allerdings zunehmend zu einer Art Aschenputtel-Gesetz und steckt nach zahlreichen Anläufen derzeit unter neuem Gewand erneut im Vermittlungsausschuss fest.  Ob aber überhaupt Steuerbescheide unter Vorläufigkeitsvermerk rückwirkend zum Nachteil der Steuerpflichtigen geändert werden können, ist streitig und wohl einzelfallabhängig. Es bleibt festzuhalten, dass um die Übertragung der Cash-GmbH derzeit eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht, der möglichst aus dem Weg gegangen werden sollte. Je nach Betrachtungsweise bleiben glücklicherweise noch die weiteren Gestaltungsmodelle.

 

Zur weiteren Vertiefung empfiehlt sich besonders der lehrbuchartige Beschluss des BFH v. 27. 9. 2012 (II R 9/11), aber auch Pondelik, SteuK 2012, 495; sowie Schlarmann/Krappel, NJW 2013, 267.