„Erfolgreiches Unternehmen sucht europäisch-aussehende Empfangsdame zwischen 18-29 für ein junges, dynamisches und kreatives Team“. Nach Lesen dieser Stellenanzeige ist es nicht verwunderlich, dass Peter, 50 Jahre alt, eine Absage auf seine Bewerbung erhielt. Doch ist es wirklich zulässig in einer Stellenausschreibung so genau eine Personengruppe anzusprechen? Die Einführung des AGG, welches neben Arbeitnehmern auch Bewerber schützt, brachte die Antwort. Welche Möglichkeiten es für Arbeitgeber gibt eine detaillierte Stellenausschreibung schalten zu können ohne gegen das AGG zu verstoßen, welche Möglichkeiten das anonymisierte Bewerbungsverfahren im Hinblick auf andere europäische Länder aufweist und welche Maßnahmen für die Zukunft gelten könnten, sollen im Folgenden deutlich werden.
Generelles Diskriminierungsverbot
Der gesamte Bewerbungsprozess, von der Stellenanzeige bis zur Auswahl, stellt eine Vielzahl von Gefahren der Diskriminierung von Bewerber dar. Das im Jahr 2006 eingeführte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll nach §1 AGG zur Minderung und Vermeidung von Benachteiligungen im Berufsleben dienen. Gründe einer Benachteiligung können laut AGG in der ethnischen Herkunft (z.B. Hautfarbe oder nationaler Ursprung), des Geschlechts, der Religion, des Alters, einer Behinderung oder der sexuellen Identität einer Person liegen. Solch eine Benachteiligung ist nach §7 AGG verboten. Allerdings gibt es in der Praxis durchaus mehr Möglichkeiten Bewerber zu diskriminieren, welche nicht unter die Verbotstatbestände des AGG fallen und somit vom Bundesarbeitsgericht nicht als Diskriminierung im Sinne des AGG anerkannt werden müssen.
Auf Stellenanzeigen in der Zeitung oder im Internet bewirbt sich täglich eine Vielzahl von Menschen. Es sollen, neben den Personengruppen der Arbeitnehmer, Auszubildenden und arbeitnehmerähnlichen Personen (z.B. Organmitglieder), auch Bewerber auf eine Stellenanzeige nach §6 AGG vor Benachteiligungen geschützt werden. Es soll demnach im Vorfeld eines Vertragsabschlusses schon gar nicht zu einem möglichen Verstoß gegen die Verbotstatbestände des AGG kommen. Somit wird auch die Chancengleichheit von Bewerbern erhöht, da erst einmal jeder die Möglichkeit bekommen soll, sich auf eine Stellenausschreibung zu bewerben.
Die eingangs genannte beispielhafte Stellenanzeige würde gegen die Verbotstatbestände des AGG aufgrund des Alters („zwischen 18-29“/“junges (…) Team“), der Herkunft („europäisch-aussehend“) und des Geschlechts („Empfangsdame“) verstoßenen. Es wird zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Benachteiligung unterschieden. Während bei der unmittelbaren Benachteiligung eine Person konkret benachteiligt wird, erweckt die mittelbare Benachteiligung durch eigentlich neutrale Maßnahmen den Anschein einer Diskriminierung.
Rechtsfolgen einer Diskriminierung
Liegt ein Verbotstatbestand des AGG vor, so kann den Betroffenen eine Entschädigung oder ein Schadensersatz nach §15 AGG zustehen. Das AGG unterscheidet zwischen einem materiellen und einem immateriellen Schaden. Der materielle Schaden muss durch den Arbeitgeber nach den Vorschriften des BGB ersetzt werden. Bei einer Nichteinstellung können die Bewerber den Ersatz des immateriellen Schadens, dem entgangenen Gehalt sozusagen, einklagen, wenn sie auch bei einer diskrimierungsfreien Ausschreibung nicht eingestellt worden wären. Die Benachteiligten können eine maximale Schadensersatzhöhe von drei Monatsgehältern fordern. Die genaue Höhe wird jedoch durch das zuständige Arbeitsgericht bestimmt.
Generell soll das AGG jedermann die Möglichkeit geben, sich auf eine Stellenausschreibung bewerben zu können. Die Begründung einer nachträglichen Einstellung ist keine vorhergesehene Rechtsfolge des AGG, jedoch sollen die möglichen Geldstrafen für Arbeitgeber im Falle einer benachteiligenden Stellenanzeige eine abschreckende Wirkung haben, um die Häufigkeit von solchen Stellenausschreibungen zu minimieren.
Möglichkeiten für Arbeitgeber
Der Zwiespalt für Unternehmen ist offensichtlich. Man hat ein bestimmtes Anforderungsprofil, muss jedoch die Regelungen des AGG wahren, um die Gefahr einer Entschädigungs- oder Schadensersatzzahlung zu umgehen. Gibt es keinerlei Möglichkeiten, eine spezifische Stellenanzeige zu schalten? Die §§8-10 AGG regeln zulässige Ausnahmen. Somit werden unzulässige Benachteiligungen zulässig, wenn die Anforderungen der Arbeitsstelle doch eine Unterscheidung der in §1 genannten Kriterien erfordern. Knüpft die Besetzung einer Stelle an wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen an, so ist eine Benachteiligung ausnahmsweise nach §8 AGG erlaubt – vorausgesetzt der Zweck der Benachteiligung ist rechtsmäßig und die Anforderungen der Arbeitsstelle angemessen. Vorstellbar wäre eine unterschiedliche Behandlung von Bewerbern auf Grund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, des Vorliegens einer Behinderung oder des Aussehens. Es ist daher durchaus erlaubt, in einer Stellenanzeige beispielsweise explizit nach einer Schauspielerin für die Besetzung einer weiblichen Filmrolle, einer asiatischen Bedienung für ein Thai-Restaurant, einem gesunden Menschen für Arbeit auf einem Bau oder einem Model mit den Maßen 90-60-90 zu suchen.
Eine weitere Ausnahme der Benachteiligungen wird in §9 AGG geregelt. So ist eine unterschiedliche, und daher auch benachteiligende, Behandlung von Bewerbern wegen der Religion oder Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften ausnahmsweise erlaubt. Allerdings muss die geforderte Religion oder Weltanschauung eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellen. Die Besetzung eines katholischen Religionslehrers darf also auf die Religion der Bewerber abstellen. Nicht zulässig sind jedoch andere Diskriminierungsgründe aus §1 AGG in Verbindung mit der Religion. So darf ein katholischer Arbeitgeber eine Bewerberin nicht auf Grund ihrer sexuellen Identität benachteiligen, auch wenn die Bewerberin gegen das kirchlich geforderte Verhalten verstößt.
Grundsätzlich darf auch das Alter kein Benachteiligungsgrund im Arbeitsleben sein. Eine Ausnahme wird jedoch in §10 AGG geregelt, da es im Berufsleben viele Regelungen und Anforderungen gibt, die an das spezifische Alter eines Arbeitnehmers anknüpfen. Die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters muss aber objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein. Ein nicht abschließender Beispielkatalog des §10 AGG enthält Möglichkeiten der unterschiedlichen Behandlungen wegen des Alters.
Anonymisierte Bewerbungsverfahren
Vergleicht man die Regelungen, an die sich der deutsche Arbeitgeber unter Berücksichtigung des AGG halten muss, mit anderen europäischen Ländern, so wird deutlich, dass es in Deutschland mehr Einschränkungen gibt als beispielsweise in Großbritannien. Dort gilt eher der Grundsatz „Don’t be so german“, es wird alles ein bisschen entspannter angesehen und somit werden auch weniger persönliche Angaben bei der Stellenbewerbung gefordert. Während man in Deutschland eher schlechte Karten hat, wenn man eine sogenannte anonymisierte Bewerbung, also eine Bewerbung ohne Namen, ohne Foto, ohne Geburtsdatum und gar mit Lücken im Lebenslauf absendet, ist das in Großbritannien das übliche Verfahren. Kann ein solch lockerer Umgang mit den Anforderungen an einen Bewerber ein Vorbild für deutsche Arbeitgeber sein?
Das Thema Gleichbehandlung spielt in Deutschland eine große Rolle. Und trotzdem werden zum Beispiel viele Bewerberinnen abgelehnt, weil sie in einem „gefährlichen Alter“ sind und vermutlich schon an der Familienplanung arbeiten. Gerade für diese Bewerber weist das anonymisierte Bewerbungsverfahren eine enorme Chance auf. Nach Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) sollten die Arbeitgeber erst nach Einladung zum Vorstellungsgespräch persönliche Daten der Bewerber erhalten . Natürlich stellt dies auf den ersten Blick eher Nachteile für Arbeitgeber dar, sie wissen ja nicht, worauf sie sich einlassen und wen sie da wirklich zum Vorstellungsgespräch eingeladen haben. Ein großer Vorteil scheint jedoch die wirkliche Gleichbehandlung aufgrund mangelnder Daten zu sein. Denn so sehr bewusst darauf geachtet wird, die Bewerber objektiv nach der Qualifikation zu beurteilen, so scheint doch oft der erste Eindruck einen enormen Einfluss auf die Entscheidung zu haben, wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird. So fand eine Forschung der Universität Konstanz heraus, dass Menschen mit einem ausländisch-klingenden Namen deutlich schlechtere Chancen auf einen Job haben – selbst wenn sie die gleichen Anforderungen mitbringen wie Bewerber mit einem deutschen Namen.
Zukunftsprognose
Es sollte zumindest ein kleiner Schritt in Richtung anonymisierte Bewerbung in Deutschland gemacht werden. Vorstellbar wären beispielsweise anonymisierte Online-Bewerbungen, die in der ersten Phase der Bewerbung nur die Qualifikationen der Bewerber erfassen. Das Aufnehmen persönlicher Daten in einer späteren Phase der Bewerbung bzw. Personalauswahl ist unumstritten notwendig, um den geeigneten Bewerber für die Stelle zu finden. Es sollte jedoch mehr an einer Chancengleichheit für Bewerber in Deutschland gearbeitet werden – zum Einen durch nicht benachteiligende Stellenausschreibungen und zum Anderen durch anonymisierte Bewerbungsverfahren.
Der Artikel richtet sich gleichermaßen an beide Geschlechter, auch wenn häufig nur die maskuline Form benutzt wird.
Neben der Verhinderung einer Diskriminierung als Vorteil von anonymen Bewerbungen, können diese jedoch auch negative Wirkung für beide Parteien entfalten. So klingt der Name des Bewerbers während des Bewerbungsgespräches oder nach Anstellung nicht weniger ausländisch, als er auf den Bewerbungsunterlagen klingen würde. Letztendlich wird der Arbeitgeber nur dazu forciert sich Bewerber, die er vorher wegen Vorurteilen aussortiert hätte, nun doch genauer anzuschauen. Das anonyme Bewerbungsverfahren würde also wohl in solchen Fällen helfen, in denen die Personalauswahl „unbeabsichtigt“ Bewerber diskriminiert hätte. Der Arbeitgeber, der aber z.B. einfach Rothaarige nicht mag, wird dem Bewerber dann eben im Bewerbungsgespräch bzw. während der Probezeit die Absage erteilen. Schlimmstenfalls ended ein Bewerber also in einem Arbeitsverhältnis, in welchem der Arbeitgeber ihn eigentlich nicht will.
Hier mal ein interessanter Link zu diesem Thema: http://www.youtube.com/watch?v=UkIKbCOGNeY. Hier bei geht es um die Auswertung eins Modellprojektes zu anonymisierten Bewerbungsverfahren, an dem sich acht Unternehmen, Behörden oder Kommunen beteiligten. Anonyme Bewerbungen wären ein wichtiger Schritt Richtung Gleichbehandlung. Nicht umsonst landet Deutschland laut einer EU-Statistik zur Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen auf dem drittletzten Platz. Auch Studien zu Chancen von Bewerbern mit Migrationshintergrund zeigen, dass Deutschland in vielerlei Hinsicht in veralteten Strukturen denkt.