„Sie haben bereits erste Praxiserfahrung gesammelt, idealerweise im Bereich (…)“, so oder ähnlich begegnet uns beinahe jede Stellenanzeige. Ein Direkteinstieg nach dem Studium ohne praktische Erfahrung ist heute nur schwer vorstellbar. Das Schlüsselwort lautet Praktika: Es steht für Berufserfahrung während des Studiums und ist so wichtig wie nie zuvor. Die Studenten im Praktikum sind schützenswert und vor allem zahlreich. Dennoch ist ihre Rechtslage zu weiten Teilen unklar und wird durch Rechtsprechung von vor 39 Jahren beeinträchtigt. Die damit einhergehende Unsicherheit führt zu der im Folgenden behandelten Frage, auf welche Schutznormen sich die Praktikanten berufen können und ob es praktische Tipps für den „Notfall“ gibt, die jedem Praktikanten ein Begriff sein sollten.

Gesetzlicher Schutz gesucht

Trotz der Vielzahl an Studenten die ein Praktikum wahrnehmen, gibt es keine eigene Rechtsgrundlage zu den Praktikumsverhältnissen. Daher gestaltet sich auch eine Zurechnung zum Arbeitsrecht schwierig, was zu der Problematik führt, dass kein arbeitsrechtlicher oder anders gearteter Schutz für die Praktikanten zur Verfügung steht. Die Parteien müssen sich danach letztendlich auf den Praktikumsvertrag berufen, was angesichts der schwachen Verhandlungsposition der Studenten beunruhigend ist. Eine von der Rechtsliteratur diskutierte Möglichkeit bestünde darin, die Praktikanten unter das Berufsbildungsgesetz (BBiG) einzuordnen, welches eigentlich die Berufsausbildung in Deutschland regelt. Die Praktikanten hätten dann gem. §§ 10 – 23 BBiG und § 25 BBiG arbeitsrechtlichen Schutz und somit einen Anspruch auf angemessene Vergütung, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz etc. Dazu muss der Praktikumsvertrag als „anderes Vertragsverhältnis“ nach § 26 BBiG bewertet werden. Die Hürden dafür sind in der Praxis gering: Der Praktikumsvertrag dürfte nur mit dem Praktikumsgeber und -nehmer ohne Einbezug der Hochschule zustande kommen. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich gegeben, schließlich werden die Verträge durch die Unternehmen erstellt und dann den Studenten vorgelegt. Die Hochschulen sind in diesem Prozess nicht einbezogen und erhalten oft lediglich eine Bestätigung über den Vertragsschluss mit einer Tätigkeitsbeschreibung aus der Stellenanzeige. Diese Formalie dient der Verifizierung des Praktikums und steht nicht im Zusammenhang mit dem Praktikumsvertrag. Weiterhin müsste ein Student als Praktikant gelten, also keinen Arbeitsvertrag nach § 611 BGB oder Ausbildungsvertrag nach §§ 1ff. BBiG abgeschlossen haben. Auch diese Voraussetzung ist theoretischer Natur, da ein Unternehmen kaum einen Ausbildungsvertrag für die oft drei- bis sechsmonatige Praktikumstätigkeit mit den Studenten abschließen wird.

Daneben kann eine Zurechnung zum Arbeitsrecht durch die Verfehlung des Ausbildungszwecks eines Praktikums möglich sein. Nach einem vom Landesarbeitsgericht Hessen (LAG Hessen) aufgestellten und am 13. 03. 2003 durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigten Urteil, ist ein Praktikumsverhältnis ein Arbeitsverhältnis, wenn nicht der Ausbildungszweck, sondern die Arbeitsleistung im Vordergrund steht. Mangelt es an der Ausbildung, existiert nach dem BAG kein Praktikumsverhältnis. Zielgerichtete Ausbildung zur Verbesserung der Kenntnisse und Fähigkeiten und nicht nur reines Abrufen von Arbeitsleistung sind dafür elementar. Die Rechtsunsicherheit bleibt trotzdem bestehen, da die meisten Unternehmen ihre Praktikanten für ihre oft speziellen Einsatzbereiche ausbilden müssen und es immer auf eine Einzelfallbetrachtung ankommt.

Höchstrichterliche Trennung

Die Mehrheit der Praktikanten muss hingegen auf eine BBiG Zurechnung hoffen. Dieser sinnvolle Lösungsvorschlag wurde von der Rechtsprechung bisher dennoch nicht vollständig unterstützt. In seinem Grundsatzurteil vom 16. 07. 1974 trennte das BAG die Studierendenpraktika in freiwillige und verpflichtende Praktika. Letztere, in der Studienordnung der Hochschule für alle Studenten vorgeschriebenen Praktika, unterliegen nach dem BAG allein dem Hochschulrecht des jeweiligen Bundeslandes und können nicht unter das BBiG eingeordnet werden. Begründet wird dies damit, dass das Pflichtpraktikum im Gegensatz zum freiwilligen Praktikum eine durch Hochschulrecht geregelte Studienangelegenheit ist. Bis heute wird an dieser Trennung festgehalten. Die Folgen der Trennung bedeuten eine Ungleichbehandlung. Freiwillige Praktikanten erhalten arbeitsrechtlichen Schutz, während sich die Pflichtpraktikanten auf ihren Vertrag verlassen müssen. Diese Ungleichbehandlung lässt die Frage aufkommen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Unterschiede der beiden Praktika bedeutend genug sind, um die vom BAG vorgenommene Trennung zu rechtfertigen.

Notwendigkeit der Trennung

Stellenanzeigen helfen hier weiter, in ihnen schreiben Unternehmen welche Art von Beschäftigung sie bieten und wen sie dafür einstellen möchten. Eine Stelle die vorzugsweise oder ausschließlich an freiwillige oder Pflichtpraktikanten vergeben werden soll sucht man jedoch vergeblich. Diese Unterscheidung existiert in der Realität nicht. Praktikantenstellen sind für alle Studenten gleichermaßen geeignet. Demnach werden auch gleiche Verträge abgeschlossen. Es werden die gleichen Tätigkeiten ausgeführt und auch bei der Ausbildung der Praktikanten keine Unterschiede gemacht. Die Hochschulen sind nur bei der Festlegung der Dauer des Pflichtpraktikums beteiligt. Doch auch das ist kein Argument für die Trennung. Die Dauer der freiwilligen Praktika weicht kaum von denen der Pflichtpraktika ab, da Unternehmen die Mindest- und Höchstdauer ihrer Praktikumsstellen vorschreiben.

Zusammengefasst

Die Konsequenz ist, dass zwei Studenten die gemeinsam im gleichen Unternehmen starten, die gleiche Arbeit ausführen und die gleiche Ausbildung erhalten, rechtlich unterschiedlich behandelt werden. Für den Pflichtpraktikanten kommt aufgrund der realitätsfernen BAG Entscheidung das BBiG nicht zur Anwendung. Er bleibt im Gegensatz zum freiwilligen Praktikanten ohne arbeitsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss erkennen, wie wichtig eine eigene Rechtsgrundlage für die wachsende Zahl von Praktikanten ist, wenn schon nicht das BAG aufhört an der Trennung der Praktika festzuhalten.

Tipps für den Notfall

Das Pflichtpraktikum muss trotz der desaströsen Rechtslage durchgeführt werden. Nach dem Prinzip „friss oder stirb“ werden zukünftige Studenten weiterhin die Praktikumsverträge unterschreiben ohne sich in gesetzlichen Schutz zu wissen. Kommt es zu einem Streit, werden sich alle Studenten fragen, wie sie dennoch zu ihrem Recht kommen können. Im Streit sollten Studenten also versuchen aus dem Praktikumsverhältnis auszubrechen, indem sie ihre Arbeitstätigkeit aufzeigen und darlegen Leistung erbracht zu haben ohne ausgebildet worden zu sein. Dies wird der Fall sein, wenn der Arbeitgeber ausschließlich auf bereits vorhandenes Wissen zurückgreift. Z.B. wenn vor dem Studium bereits zum Steuerfachangestellten ausgebildete Studenten in einem Unternehmen lediglich die (während der Ausbildung bereits mehrfach ausgeführte) Umsatzsteuervoranmeldungen durchführen müssen. Aber auch wenn Studenten mit einfachen Archivierungsarbeiten beschäftigt werden, die keine Verbindung zum Studium haben. Mit etwas Glück könnte so doch noch der arbeitsrechtliche Schutz gewährleistet werden.

Zunehmend werden Unternehmen auf den Plan gerufen, die gegen die schlechte Behandlung und ungleiche Rechtstellung vorgehen wollen. So haben sich bereits über 1.800 Unternehmen der von führenden Wirtschaftszeitungen ins Leben gerufen Initiative „Fair Company“ angeschlossen, die sie zu bestimmten Regeln im Umgang mit Praktikanten verpflichtet. Ein Blick in die Datenbank der Initiative ist für jeden angehenden Praktikanten daher immer empfehlenswert. Nicht zuletzt, weil so Druck gegen Unternehmen ausgeübt wird, die bewusst ungleich behandeln.

Als Quelle diente u. a. Schade, NJW 2013, 1039ff.
Zur weiteren Vertiefung ist besonders empfehlenswert: Schade, NZA 2012, 654ff., Scherer, NZA 1986, 280, Leinemann/Taubert, Kommentar BBiG, 2. Auflage 2008, §§ 10 – 23, § 25, § 26.

Der Artikel richtet sich an beide Geschlechter gleichermaßen. Es wird um Nachsicht gebeten, wenn die Verwendung einer ausschließlich männlichen Form vorgenommen wurde.