Nach Verweisen auf Tarifverträge der tarifunfähigen christlichen Gewerkschaft klagten zahlreiche Leiharbeitnehmer in Deutschland auf Lohnnachzahlungen. Am 13.3.2013 entschied das Bundesarbeitsgericht über fünf Verfahren. Demnach steht zahlreichen Leiharbeitnehmern in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen eine Lohnnachzahlung zu.

Fehlende Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaft Zeitarbeit

Grund für den Anspruch auf das Arbeitsentgelt sind Verweise auf Tarifverträge der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP). Die Tarifverträge der CGZP sahen ein geringeres Arbeitsentgelt vor, als es die vergleichbare Stammbelegschaft erhalten hat. Tarifvertragliche Abweichungen von dem Grundsatz, dass man den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhält („equal-pay“ Prinzip) des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) sind im Grunde erlaubt. Der CGZP wurde aber bereits 2010 die Tariffähigkeit abgesprochen (vgl. 1 ABR 19/10).

Wie kam es zu der fehlenden Tariffähigkeit?

Die Tariffähigkeit, also die Fähigkeit wirksam Tarifverträge abzuschließen, wurde der CGZP bereits am 14.12.2010 durch das BAG abgesprochen (vgl. 1 ABR 19/10) ). Der Grund hierfür war, dass die CGZP nicht die tarifrechtlichen Voraussetzungen einer Spitzenorganisation erfüllt hat. Nicht nur eine Gewerkschaft, die tariffähig ist, wenn sie ihrer Satzung nach sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzt, kann Partei nach § 2 Abs. 1 TVG bei Abschluss eines Tarifvertrages sein. Es kann sich auch um eine Spitzenorganisation, also um einen Zusammenschluss von Gewerkschaften, im Sinne des § 2 Abs. 3 TVG handeln. Der Spitzenorganisation sind Mitgliedsgewerkschaften angeschlossen, durch diese sie ihre Tariffähigkeit erhält. Tarifverträge schließt die Spitzenorganisation im Namen der Mitgliedsverbände ab. Die Spitzenorganisation selbst kann auch als Partei auftreten, wenn es ihre Satzung erlaubt. Dies tat die Satzung der CGZP. Mit dieser Satzung ging die CGZP aber über den Organisationsbereich ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.

Das BAG verneinte 2010 daher den Zusammenschluss und damit die Eigenschaft der CGZP als Spitzenorganisation, da bei einer zu weiten Satzung die Verbindung zu den Mitgliedsverbänden fehle. Da die Spitzenorganisation aber nur durch ihre Mitgliedsverbände die Tariffähigkeit erhält, ist die CGZP bei einer fehlenden Verbindung folglich nicht mehr tariffähig.  Das BAG schloss auch die CGZP als Gewerkschaft im Sinne des § 2 I TVG aus, da es dafür an einer Regelung in der Satzung bezüglich der Organisation von Arbeitnehmern fehle. Demzufolge ist die CGZP nicht tariffähig.

Folge

Ein mit einer nicht tariffähigen Partei geschlossener Tarifvertrag ist unwirksam, kann also nicht wirksam in die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Arbeitnehmer einwirken. Eine Bezugnahme auf den Tarifvertrag in Individualarbeitsverträgen geht dann ebenfalls ins Leere. Dieses Urteil über die Tarifunfähigkeit hatte daher zur Folge, dass Leiharbeitnehmer aus ganz Deutschland die Lohndifferenz bei den Verleihern, bei dem sie angestellt waren, eingeklagt haben. Der Verleiher müsste muss bei Erfolg der Klage dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsentgelt in gleicher Höhe zahlen, wie es ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des entleihenden Unternehmens erhält.

Klage auf erhöhtes Arbeitsentgelt erfolgreich

Am 13.3.2013 entschied das BAG über fünf Revisionen (5 AZR 954/11, 5 AZR 146/12, 5 AZR 242/12, 5 AZR 294/12, 5 AZR 424/12) (die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht, doch liegt eine ausführliche Pressemitteilung vor). Es ist dabei von den folgenden Grundsätzen ausgegangen:

CGZP Tarifverträge sind unwirksam

Die Tarifverträge der CGZP sind aufgrund der fehlenden Tariffähigkeit nicht wirksam. Leiharbeitnehmer, dessen Arbeitsverträge Bezug auf diese „Tarifverträge“ nehmen, haben daher einen gesetzlichen Arbeitsentgeltanspruch aus § 10 Abs. 4 AÜG.

Kein Vertrauensschutz

Den Verleihern sollte nach Aberkennung der Tariffähigkeit der CGZP klar sein, dass ein Bezug auf ihre Tarifverträge nicht mehr möglich ist. Das Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP ist deswegen nicht geschützt. Im eigenen Interesse sollten sich die Verleiher ausreichend über die Rechtslage informieren (LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2012 – 15 Sa 228/12).

Intransparente Bezugnahmeklauseln

Einige Arbeitgeber haben als Reaktion auf die Tarifunfähigkeit der CGZP neue Arbeitsverträge aufgesetzt. Enthalten neuere Arbeitsverträge aber Klauseln, die anstelle oder neben den CGZP-Tarifverträgen auf den Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der CGZP und einer Reihe von anderen christlichen Arbeitnehmervereinigungen Bezug nehmen, sind diese Klauseln intransparent. Der Grund für diese Annahme ist, dass nicht klar wird, welche der sich widersprechenden Regelungen Anwendung findet. Die Folge der Intransparenz ist eine Unwirksamkeit der Bezugnahmeklausel nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.

Verfallsfristen und Verjährung  

Durch intransparente Bezugnahmeklauseln und den unwirksamen Tarifverträgen der CGZP steht dem Leiharbeitnehmer die Lohndifferenz zum im Arbeitsvertrag vereinbarten Betrag zu. Der Anspruch wird mit der Fälligkeit des Lohnanspruchs fällig. Das BAG erlaubt arbeitsvertragliche Fristen, die diesen Anspruch verfallen lassen, diese Fristen dürfen aber nach Auffassung des Gerichts drei Monate nicht unterschreiten. Der Verfall kann, wenn eine solche Klausel im Vertrag enthalten ist, nur verhindert werden, indem man den Anspruch geltend macht.

Es gilt außerdem die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Leiharbeitnehmer Kenntnis von der Tarifunfähigkeit der CGZP erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB).  Auf die gerichtliche Feststellung der Tarifunfähigkeit kommt dabei nicht an, laut dem BAG.

Diese Punkte stoßen vor allem bei Gewerkschaften auf Kritik. Durch die Zulassung von Ausschlussfristen und die strengen Verjährungsfristen, beginnend noch vor der Entscheidung über die Tarifunfähigkeit der CGZP, gehe das Urteil an der Lebens- und Arbeitswirklichkeit vorbei, so ver.di.

 Dauer und Höhe des Anspruchs

Grundsätzlich äußerte sich das BAG zuletzt noch zu der Dauer und Höhe des Anspruchs. Die Lohnnachzahlungen beziehen auf den Zeitraum, in dem der Leiharbeiter von dem Verleiher dem entleihenden Unternehmen überlassen wurde. Der Verleiher schuldet nach § 10 Abs. 4 AÜG  dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie es ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des entleihenden Unternehmens erhält. Die Höhe ergibt sich aus dem Gesamtvergleich aller Entgelte des Unternehmens in diesem Zeitraum. Die Neuberechnung müssen jetzt die Landesarbeitsgerichte vornehmen, an die die entsprechenden Verfahren zurückverwiesen wurden.