Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) sind zum 01.03.2012 grundlegende Änderungen der Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten. Ziel dieser Reform ist die Sanierungsfunktion der InsO zu stärken. Dementsprechend sollte die bislang strikte Trennung von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht überwunden und die Einbeziehung der Anteilseigner des schuldnerischen Unternehmens in den Insolvenzplan ausdrücklich ermöglicht werden. Infolgedessen wurde auch der Debt-Equity-Swap durch die Insolvenzordnung erstmals kodifiziert.
Was genau ist ein Debt-Equity-Swap?
Bei einem Debt-Equity-Swap handelt es sich eigentlich um einen rein gesellschaftsrechtlichen Vorgang. Technisch werden dabei die Verbindlichkeiten des Schuldnerunternehmens in Eigenkapital umgewandelt. Mit anderen Worten verzichten die Gläubiger auf ihre Forderungen und erhalten gleichzeitig Gesellschaftsanteile des insolventen Unternehmens. Im Gegenzug gehen die Anteile der Altgesellschafter regelmäßig im Wege eines sogenannten Kapitalschnitts unter, das heißt, durch eine vereinfachte Kapitalherabsetzung (§§ 229 ff. AktG, §§ 58a ff. GmbHG) mit einer gleichzeitigen Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG, § 56 GmbHG). Der jeweilige Gläubiger bringt seine Forderung gegenüber dem Unternehmen als Sacheinlage ein. In der Praxis erfolgt dies häufig Investmentbanken, die die Forderung mit einem Abschlag vom bisherigen Gläubiger abkaufen. Die Ausgabe der neuen oder bereits bestehenden Anteile erfolgt überwiegend unter Ausschluss der Bezugsrechte der Altgesellschafter. Mithilfe eines Debt-Equity-Swaps kann ein Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage mit sonst guten Marktchancen und einem attraktiven Geschäftsmodell seine Verbindlichkeiten und Zinslasten reduzieren und so die Insolvenzsituation überwinden.
Bisherige Rechtslage
Der Debt-Equity-Swap erlangte trotz seiner liquiditätsverbessernden und überschuldungsbereinigenden Wirkung nur sehr geringe praktische Relevanz innerhalb von sanierenden Insolvenzen. Die InsO sieht neben dem Regelinsolvenzverfahren, das auf eine Zerschlagung des Unternehmens hinausläuft, auch die Möglichkeit eines Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff. InsO) vor. Dieses soll eine Sanierung des Unternehmens und dessen Fortführung im Rahmen des Insolvenzverfahrens ermöglichen. Bislang konnten jedoch die bisherigen Anteilsinhaber nicht in den Insolvenzplan einbezogen werden. Die Durchführung eines Debt-Equity-Swaps war nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung möglich, die das Verfahren so zum Scheitern bringen konnten. Ein Zwangseingriff in ihre Gesellschafterrechte war nicht möglich, obwohl diese infolge der Insolvenzsituation faktisch keinen Wert haben. Die Anteile der Gesellschafter blieben somit unverändert bestehen, sodass diesen auch die Gewinne des sanierten Unternehmens zustanden. Die Gläubiger konnten dagegen ausschließlich mit der im Plan festgelegten Quote befriedigt werden. Diese Schlüsselposition der Altgesellschafter lief dem primären Ziel der InsO, eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu gewährleisten, zuwider. Dies sah auch der Gesetzgeber.
Rechtliche Ausgestaltung nach ESUG
Nach der ESUG-Reform kann nun im Insolvenzplan ein Debt-Equity-Swap vorgesehen werden. Die gesellschaftsrechtlich damit regelmäßig verbundenen Maßnahmen werden von § 225a Abs. 2 InsO explizit genannt.
Für die Annahme eines Insolvenzplans, der die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der bisherigen Anteilseigner berührt, ist die Zustimmung dieser erforderlich. Dazu ist jetzt mehr als die Hälfte des abstimmenden Beteiligungskapitals erforderlich, nicht wie sonst im Insolvenzplanverfahren üblich die Mehrheit nach Köpfen, § 244 Abs. 3 InsO. Sollte diese Mehrheit nicht erreicht werden, wird aufgrund des sogenannten, ebenfalls ausgeweiteten, Obstruktionsverbots die Zustimmung regelmäßig fingiert, § 245 InsO. Die Altgesellschafter können die Annahme des Insolvenzplans also nicht mehr ohne Weiteres verhindern. Das zuvor durch die Altgesellschafter bestehende Blockadepotenzial wurde damit deutlich entschärft, ohne eine angemessene Beteiligung der Anteilseigner zu verkennen. Da der Liquidationswert der Anteile der Altgesellschafter in der Insolvenz regelmäßig gegen null tendiert, kann demzufolge auch eine Kapitalherabsetzung auf null erfolgen. Im Ergebnis verlieren damit die Altgesellschafter ganz oder teilweise ihre Beteiligungen zugunsten der betroffenen Gläubiger, die folglich an den Gewinnen des sanierten Unternehmens teilhaben können. Der Debt-Equity-Swap ist auch weiterhin nur mit deren Zustimmung möglich. Als besondere Anreizwirkung ist darüber hinaus eine Differenzhaftung der Gläubiger wegen Überbewertung der eingebrachten Forderung nunmehr ausgeschlossen, § 254 Abs. 4 InsO.
Einen empfehlenswerten Überblick über mögliche gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen im Insolvenzplan nach ESUG geben Simon/Merkelbach, NZG 2012, S. 121.
Problemkreise
Der Gesetzgeber betritt mit dem Debt-Equity-Swap in der Insolvenz rechtliches Neuland, weshalb offene Fragen bezüglich der praktischen Umsetzung nicht verwundern. Dies betrifft insbesondere die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Bezugsrechteausschluss der mitunter kompensationslos ausscheidenden Anteilseigner. Dazu kommt das weiterhin bestehende Problem der Bewertung der eingebrachten Forderung, die durch die anhaltende Insolvenzsituation verschiedensten Wertansätzen unterliegen kann. Dies wurde auch durch das ESUG nicht abschließend geklärt. Eines der größten Risiken des neuen Insolvenzrechts besteht darüber hinaus in der noch ungeklärten Frage der Besteuerung des Sanierungsgewinns, der durch den teilweisen Forderungsverzichts bei Abwertung der Forderung des „swappenden“ Gläubigers entsteht. Diese Erwägungen sollten im Vorfeld eines Debt-Equity-Swaps unbedingt in Betracht gezogen werden.
Im Einzelnen zu den Streitgegenständen: Horstkotte/Martini, ZInsO 2012, S. 557, Fn. 18, 45, 47.
Fazit und Ausblick
Die Neuregelungen der Insolvenzordnung zum Insolvenzplanverfahren im Allgemeinen und zur Einbeziehung der Anteilseigner in den Insolvenzplan im Besonderen haben trotz gegenwärtig ungeklärter Streitfragen sicherlich dazu beigetragen, Sanierungen im Rahmen von Planverfahren attraktiver zu gestalten und gegenüber anderen Staaten konkurrenzfähiger zu machen. Im Hinblick auf den Debt-Equity-Swap eröffnen die Neuregelungen erhebliche Chancen für diejenigen Gläubiger, die bereit sind, sich eigenkapitalmäßig zu engagieren. Demgegenüber stehen jedoch die mehr oder weniger hilflosen Altgesellschafter. Denn je größer die Beteiligung der früheren Gläubiger ausfällt, desto mehr wird Beteiligung der bisherigen Anteilseigner verwässert und damit entwertet. Daneben kann auch ein grundlegendes Risiko des Debt-Equity-Swaps für die Neugläubiger der sanierten Gesellschaft, die sich auf Geschäftsbeziehungen mit einer Gesellschaft einlassen, die nur scheinbar mit Kapital ausgestattet ist, trotz ESUG nicht ausgeblendet werden.
Da der Debt-Equity-Swap nun in der Insolvenzordnung kodifiziert wurde und weiterhin auch außerhalb der Insolvenz zu einem wichtigen Instrumentarium der modernen kapitalgesellschaftsrechtlichen Restrukturierungspraxis gehört, wird er in der Aktienrechtsnovelle 2012 ebenfalls Erwähnung finden. Eingehend dazu: Götze/Arnold/Carl, NZG 2012, S. 321; Keinath/Drinhau, BB 2012, S. 395.
Fraglich bleibt weiterhin, ob das ESUG dazu beiträgt, dass der Debit-Equity-Swap zu einer Verbesserung der Sanierungsmöglichkeit eines Unternehmens beitragen wird. Zum einen müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen und zum anderen sind immer noch einige Fragen hinsichtlich des Debit-Equity-Swaps ungeklärt. Das Insolvenzplanverfahren muss zunächst von dem Insolvenzverwalter und den Gläubigern frühzeitig in Gang gesetzt werden. Außerdem muss zumindest ein Gläubiger in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens trotz der wirtschaftlichen Schieflage glauben. Meistens wird jedoch eine Bank Hauptgläubiger sein, die nicht daran interessiert sein wird, Gesellschafterin an dem Unternehmen zu werden. Lässt sich nicht schnell ein bereitwilliger Investor finden, bleibt der Handlungsspielraum für einen Debit-Equity-Swap sehr klein.
Essentiell für die Umsetzung eines Debit-Equity-Swaps ist es, die Interessen der Altgesellschafter und der der Altgläubiger als neue Gesellschafter weitestgehend auszugleichen. Der Debit-Equity-Swap führt dazu, dass durch den Einfluss der neuen Eigenkapitalgeber die Altgesellschafter nahezu hilflos mitansehen müssen, wie das Unternehmen von den Neugesellschaftern geführt wird. Sofern die Altgesellschafter ihre Beteiligung komplett verlieren, stellt sich die Frage, wie es mit der durch das Grundgesetz geschützten Eigentumsgarantie (Art 14 Abs. 1 GG) aussieht. Sofern der Debit-Equity-Swap von einem Hauptgläubiger durchgeführt wird, müsste dieser nach §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG ein Übernahmeangebot an die anderen Aktionäre machen, wenn der Schwellenwert von dreißig Prozent der Aktien überstiegen wird und es sich um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt. Falls weitere Gelder für das Übernahmeangebot zu erbringen sind, wird dies von dem Gläubiger in der Regel nicht gewollt sein.
Dass die Nachschusspflicht bei der Unterbewertung einer Forderung im Rahmen des Insolvenzplans nach § 254 Abs. 4 InsO n.F. ausgeschlossen wird, setzt einen weiteren Anreiz für die Gläubiger, einen Debit-Equity-Swap einzugehen. Ebenso wird durch das Sanierungsprivileg die Gefahr einer späteren Insolvenzanfechtung minimiert nach § 39 Abs. 4 S. 2 InsO. Diese beiden Regelungen führen m. E. auch dazu, dass Gläubiger eher dazu bereit sind auf ihre Forderungen zu verzichten und Gesellschaftsanteile an dem Unternehmen zu erwerben.
Ja, aber führt der Umstand, dass eine Differenzhaftung ausgeschlossen ist, nicht auch zu einer unangemessenen Privilegierung des „swappenden“ Gläubigers gegenüber den anderen?
Das stimmt, sie werden zwar dadurch privilegiert, ob dies unangemessen ist, liegt wohl im Auge des Betrachters. Die Werthaltigkeit der Forderung wird aufgrund der Insolvenz des Schuldners regelmäßig reduziert sein und folglich wird er auch nicht dem buchmäßigen Nennwert entsprechen. Der Insolvenzplan hat zwar eine entsprechende Wertberichtigung vorzusehen, richtig ist jedoch, dass eine Überbewertung der Sacheinlage nie völlig ausgeschlossen werden kann. In solchen Fällen findet eigentlich der Grundsatz der Differenzhaftung Anwendung. In Fällen des DES im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens wurde eine solche spätere Nachschusspflicht gerichtet auf die Differenz zwischen Nennbetrag der Einlage und dem wirklichen Wert der Forderung gem. § 254 Abs. 4 InsO für Gläubiger, die sich für einen DES entscheiden, ausgeschlossen. Die Regierungsbegründung führt dazu aus, dass dies zur Gewährleistung einer größtmöglichen Planungssicherheit für „swappende“ Gläubiger, die einem DES sonst noch zögerlicher gegenüber stehen würden, im Sinne einer erfolgreiche Sanierung in Kauf zu nehmen ist. Auf der anderen Seite stehe den Beteiligten die Möglichkeit offen, auf eine fehlerhafte Bewertung der Sacheinlage hinzuweisen und Rechtsmittel gegen den Plan einzulegen (BT-Drucks. 17/5712 v. 04.05.2011, S. 36). Da dem System der effektiven Kapitalaufbringung dadurch teilweise eine Absage erteilt wurde, ist diese Regelung nicht unbegründet auf zahlreiche Kritik gestoßen. Insbesondere für Neugläubiger eröffnet diese Regelung Schutzlücken. Sie haben im worst case der Masseunzulänglichkeit bei erheblicher Überbewertung der eingebrachten Forderung mit einer stammkapitallosen Gesellschaft zu tun. Auf der anderen Seite bewerten die Gläubiger, die im Rahmen eines Planverfahrens Forderungen gegenüber dem Schuldner als Sacheinlage einbringen, ihre Forderungen nicht selbst. Der Insolvenzverwalter muss, um einer Haftung gem. § 60 InsO wegen Falschbewertung von Ansprüchen aus dem Weg zu gehen, ein Sachverständigengutachten über den Wert der Forderungen einholen. Und in Fällen der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung und zwar, wenn Gläubiger bewusst über den wahren Wert seiner Forderung hinwegtäuschen, kann bei einer faktisch nahezu kapitalfreien Gesellschaft die Durchgriffshaftung nach § 826 BGB wegen Unterkapitalisierung in Frage kommen.
Mich interessiert es, wie man sich verhalten soll, wenn man Aktien und Variable Anleihen von so einer Gesellschaft Besitz. Sollte man die Aktien und Anleihen mit Verlust verkaufen, oder sollte man warten, bis eventuell die Insolvenz aufgehoben wird??