Die Folgen der Finanzkrise sind auch in Deutschland nicht zu übersehen: Jedes Jahr sind zahlreiche Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Laut Bundesstatistik wurden in Deutschland im Jahr 2011 ca. 30000 Unternehmensinsolvenzen angemeldet, was ca. 10% weniger im Vergleich zu 2010 darstellt. Am häufigsten sind Unternehmen in Form einer GmbH betroffen, die jünger als acht Jahre sind.
Drohen einem Unternehmen Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) oder Überschuldung (§19 InsO) ist es die Pflicht des Geschäftsführers das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll am Laufen zu halten. Er muss Änderungen in der wirtschaftlichen Struktur penibel beobachten und gegebenenfalls sofort einen Insolvenzantrag stellen, andernfalls macht er sich wegen Insolvenzverschleppung haftbar und strafbar. Die Geschäftsführung in einer solchen Zeit ist äußerst anspruchsvoll und schwierig. Nach §64 GmbHG ist ein Geschäftsführer nämlich nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit an Dritte geleistet wurden.

Dieser Beitrag widmet sich der Frage: Kann einem Geschäftsführer zugemutet werden, neben seiner eigentlichen Tätigkeit auch noch rechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte einer Insolvenz zu beherrschen und diese in seiner eigenen Unternehmensstruktur zu erkennen? Ist es im Falle einer drohenden Insolvenz nicht sinnvoller einen externen, fachkundigen Berater heranzuziehen? Welche Konsequenzen sind damit verbunden?

Grundsätzlich können sich Unternehmen externe Berater zur Hilfe nehmen

Bereits im Jahr 2007 hatte sich der BGH im Urteil vom 14.05.2007-II ZR 48/06 bezüglich des Heranziehens externer Berater in einem von der Krise bedrohten Unternehmen geäußert. Der BGH hat damals festgelegt, dass ein Unternehmen seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt, wenn der Geschäftsführer einen externen, qualifizierten Berater in Anspruch nimmt, der feststellen soll, ob das Unternehmen tatsächlich vor der Insolvenz steht. Selbst wenn sich der Geschäftsführer gut mit der Materie der Insolvenz auskennt, kann ein qualifizierter Berater ihm zur Seite stehen und ihn hinsichtlich der Haftung bei einer Insolvenzverschleppung und hinsichtlich umfassender Zahlungsverbote besser beraten. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Unternehmensleitung dem Berater alle relevanten Tatsachen offenlegt. Zudem muss der Geschäftsführer praktisch alle Ratschläge des externen Beraters befolgen und gegebenenfalls von dem Insolvenzantrag Abstand halten. Seit diesem Urteil aus dem Jahr 2007 können Geschäftsführer, indem sie ihre Prüfungsaufgaben an externe Berater weitergeben, nun einen weiten Bogen um die Insolvenzverschleppungshaftung und die Erstattungspflicht wegen Verletzung von Zahlungsverboten machen. Ein Meilenstein und eine tatsächliche Entlastung für die Geschäftsleitung! Dennoch blieben einige maßgebliche Fragen ungeklärt, und zwar: Wer kann als externer Berater fungieren? Welche entsprechenden Kompetenzen muss er mit sich bringen? Wie muss der Prüfungsauftrag aussehen? Welche Rechte und Pflichten hat der Geschäftsführer, soweit ein externer Berater herangezogen wird? Mit dem Urteil vom 27.03.2012- II ZR 171/10 hat der Bundesgerichtshof Klarheit geschaffen: Er hat die Anforderungen an den Geschäftsführer bezüglich der sorgfältigen Überwachung der Vermögenslage und der Liquidität konkretisiert.

Zugrundeliegender Sachverhalt

Zu diesen Fragestellungen der Exkulpation, also der Entlastung des Geschäftsführers, hat der BGH am 27.03.2012 nun Stellung genommen. In dem zu Grunde liegenden Sachverhalt hatte ein Geschäftsführer eines wirtschaftlich geschwächten Unternehmens im August 2008 eine Unternehmensberaterin zur Hilfe herangezogen. Sie sollte die Vermögenslage der Gesellschaft und in Frage kommende Sanierungsmöglichkeiten überprüfen. Anfang November 2008 legte die externe Beraterin eine gutachterliche Stellungnahme vor. Darin wurde dem Unternehmen eine positive Fortführungsprognose bestätigt. Mitte Dezember des selben Jahres stellte der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag. Während des Insolvenzverfahrens wurde jedoch klar, dass das Unternehmen bereits Ende August insolvent war. Der Insolvenzverwalter stellte einen Anspruch gegen den Geschäftsführer: alle seit Ende August 2008 gemachten Zahlungen müssen zurückgewährt werden. Zu Recht?

Urteil: Überwachungspflicht des Geschäftsführers in einer Krise der GmbH

Zu Recht! Der BGH hat entschied, dass die gutachterliche Funktion der Unternehmensberaterin nicht dazu beitragen konnte, den Geschäftsführer zu entlasten. Der Geschäftsführer besaß hier nämlich die fachkundige Kenntnis der bevorstehenden Insolvenz. Er hätte schon im August 2008 die Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens selbst erkennen können.

Das hat zur Folge, dass der Geschäftsführer sich nicht auf die Ergebnisse der externen Beraterin beziehen darf, bzw. sich nicht 100 % darauf verlassen kann. Darüber hinaus hatte der Geschäftsführer im vorliegenden Fall der Unternehmensberaterin nicht sämtliche relevanten Tatbestände offengelegt. Er hätte aufgrund seiner Kenntnis des Sachverhaltes, auf eine unverzügliche Erstellung des Gutachtens drängen müssen. Damit sich der Geschäftsführer exkulpieren kann, genügt es nicht, lediglich den Auftrag an die Beraterin zu erteilen.

Rechtsfolgen für die Praxis

Für die Rechtswelt bedeutet dies, dass externe Berater generell keine Wirtschaftsprüfer sein müssen. Als externe Berater können auch Vertreter anderer Berufsgruppen agieren. Wichtig ist hierbei nur eine hinreichende fachliche Qualifikation, wie etwa Unternehmensberater, Steuerberater oder Rechtsanwälte. Im übrigen lässt sich die fachliche Qualifikation des externen Beraters an dem jeweiligen Sachverhalt bemessen. Des weiteren kann ein Geschäftsführer nur dann mit Hilfe eines externen Beraters entlastet werden, wenn der Prüfungsauftrag explizit die Prüfung der Insolvenzreife beinhaltet. Die Erteilung eines bloßen Prüfungsauftrages von Seiten des Geschäftsführers ist nicht ausreichend. Unerlässlich ist, dass er alle benötigten Informationen und Unterlagen offenlegt. Nur mit „offenen Karten“ hat der externe Berater die Möglichkeit den gesamten Sachverhalt klar zu erkennen und damit ein korrektes Gutachten zu erstellen.

Zuletzt bedeutet die Einbeziehung eines externen qualifizierten Beraters nicht, dass der Geschäftsführer von seiner eigenen Plausibilitätsprüfung losgesprochen wird. Stellt der Berater fest, dass keine Insolvenzandrohung in Form von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung besteht, darf sich der Geschäftsführer nicht einfach auf diese Feststellungen berufen. Er steht hier in der Pflicht eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen. Das heißt die von einem externen Berater erhaltenen Ergebnisse müssen noch einmal durch den Geschäftsführer sachgemäß beurteilt werden, um die reale wirtschaftliche Lage des Unternehmens festzustellen. Verstößt der Geschäftsführer schuldhaft gegen seine Verpflichtungen, muss er den Gläubigern der Gesellschaft für nach der Insolvenzreife getätigte Zahlungen haften!

Fazit für die Rechtswelt

Die Entscheidung des BGH vom 27.03.2012 macht deutlich, welchen vielschichtigen und herausfordernden Aufgaben ein Geschäftsführer in Zeiten der Krise gerecht werden muss. Durch das Urteil haben nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer nun die Chance durch die Heranziehung von externen Beratern und das Hinwirken auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses ihr Haftungsrisiko in Krisensituationen deutlich zu verringern. Damit werden künftig verschiedenste Berufsgruppen als Berater in kriselnden Unternehmen Anstellung finden, die der Geschäftsführung hilfreich zur Seite stehen können. Möglich ist auch die Einbeziehung eines Beratungsteams, um ein möglichst umfassendes Bild erstellen zu können.

Die Verantwortung der Geschäftsführung in Krisenzeiten können externe Berater damit aber nicht übernehmen. Auch wenn dem Geschäftsführer nicht zugemutet werden kann selbst die Prüfung der Insolvenzreife zu machen, stellt der BGH die Forderung, dass mindestens der Auftrag hinreichend konkret formuliert werden muss. Gerade die Frage der Insolvenzreife muss geprüft werden. Es genügt aber nicht die bloße Prüfung der Vermögenslage oder weiterer Sanierungsmöglichkeiten. Die letztendliche Entscheidung über den Insolvenzantrag und alle damit einhergehenden Folgen liegt nach wie vor in den Händen der Geschäftsführung!

Quellen:

DStR 2012, 1286 (BGH: GmbH: Pflicht des Geschäftsführers zum Hinwirken auf unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses zur Zahlungsfähigkeit).

FD-InsR 2012, 333761 (Anm. zu BGH: Die Beauftragung einer qualifizierten Person zur Prüfung der Insolvenzreife entlastet den Geschäftsführer nur bei unverzüglicher Vorlage des Prüfergebnisses).

GWR 2012, 270 (Anm. zu BGH: Geschäftsführer muss auf unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses eines zur Prüfung der Insolvenzreife hinzugezogenen Experten hinwirken).

NZG 2012, 672 (BGH: Überprüfung auf Insolvenzreife − Beratungspflicht beschränkt kenntnisreicher Geschäftsführer).

NZG 2012, 13761 (Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzrecht).

NZI 2012, 869 (Steuerberaterhaftung bei unterlassener Aufklärung über die Insolvenzantragspflicht bei Insolvenzreife einer GmbH/AG).