Der BGH hat entschieden, dass der markenrechtliche Titelschutz auch der Bezeichnung einer regelmäßig nur wenige Absätze umfassenden Kolumne zukommen kann, die zu einem bestimmten Themengebiet in einer Zeitung oder Zeitschrift erscheint. Mit dem Urteil lieferte der Senat eine Konkretisierung des markenrechtlichen Werktitelschutzes – „Stimmt’s?“.
Sachverhalt
In dem Verfahren verklagte „DIE ZEIT“ das Internetportal „web.de“. Web.de hatte im Jahr 2007 eine Kolumne mit dem Titel „Stimmt’s?“ auf seiner Webseite eingebettet, in der Fragen des Alltags beantwortet wurden. Mit dem gleichen Kolumnentitel erscheint in der ZEIT seit 1997 wöchentlich ein jeweils mit einer wechselnden inhaltsbezogenen Überschrift versehener Artikel, in dem Fragen der Leser beantwortet werden, die sich auf Rätsel des Alltags, schwer zu verifizierendes Allgemeinwissen, wissenschaftliche Phänomene, Mythen und andere populärwissenschaftliche Fragen beziehen.
Durch Verwendung desselben Kolumnennamens sah sich DIE ZEIT in ihren Titelschutzrechten verletzt und nahm web.de auf Unterlassen, Auskunft und die Zahlung einer Lizenzgebühr in Anspruch.
Der markenrechtliche Werktitelschutz
Werktitel werden im Markenrecht als geschäftliche Bezeichnungen nach § 5 Abs. 1 MarkenG geschützt. Gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG sind schutzfähige Werktitel die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Werktitel im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG dienen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werkes von anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Sie sind daher in der Regel nur gegen die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung im engeren Sinne geschützt.
Dabei ist der Werkbegriff nicht mit dem urheberrechtlichen zu verwechseln; hier gilt vielmehr ein eigenständiger kennzeichenrechtlicher Werkbegriff. Der Werktitel unterscheidet sich nach ständiger Rechtsprechung (Max, FACTS, 1, 2, 3 im Sauseschritt, Winnetou, Das Telefon-Sparbuch) trotz seiner Regelung im selben Gesetzestext, auch von der Marke. Er ist primär inhaltsbezogen und dient damit vorrangig der Unterscheidung eines Werkes von einem anderen Werk, womit er nicht notwendigerweise ein betrieblicher Herkunftshinweis ist. Wie das Unternehmenskennzeichen entsteht der Schutz eines Werktitels (bei originärer Kennzeichnungskraft) auch ohne Verkehrsgeltung durch bloße Benutzung im geschäftlichen Verkehr, insbesondere also dann, wenn Werkexemplare unter dem Titel in Verkehr gebracht werden. Mit dem Urteil SZENE wurde entschieden, dass die Benutzung als Titel erfolgen muss, nicht als Marke oder als Hinweis auf einen Geschäftsbetrieb. Dabei können auch Titelschlagwörter bei hinreichender Kennzeichnungskraft Schutz genießen. Wie weit dieser Titelschutz geht, hatte der BGH im vorliegenden Urteil zu entscheiden.
Entscheidung
Der Kolumnentitel „Stimmt`s?“ ist nach Entscheidung des Senats titelschutzfähig im Sinne des § 5 MarkenG. Damit folgt der BGH seiner Rechtsprechung (Kunstseiden-Kurier – RGZ 133, 189, 191, SZENE, Eifel-Zeitung) über den Titelschutz und erweitert diese auf Auszüge einer Zeitung.
Titelschutzfähigkeit im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG für Auszüge einer Zeitung erkennt der BGH demnach unter Berücksichtigung folgender Kriterien: (1) Notwendig ist eine besondere und äußere Aufmachung des Zeitungsbeitrages, (2) welcher in einer nach gewissem Umfang selbständig gestalteten Abteilung abgedruckt ist. Insbesondere Gegenstand und Inhalt des Beitrages sind hierfür ausschlaggebend. Außerdem muss der Beitrag (3) unter eigener kennzeichnungskräftiger Bezeichnung (4) regelmäßig wiederkehrend erscheinen. Nach der BGH Entscheidung „Stimmt’s?“ ist dieser Grundsatz nun auch auf Kolumnen anzuwenden, die nicht unbedingt eine Seite füllen.
Wie aus dem SZENE-Urteil bekannt, ist an die Unterscheidungskraft eines Zeitungs- oder Zeitschriftenbeitrages nur eine geringe Anforderung zu stellen. Der BGH vertritt dabei die Ansicht, dass die Leserinnen und Leser (in der Fachsprache: der Verkehr) seit langem an mehr oder weniger farblosen und nur inhaltlich oder räumlich konkretisierten Gattungsbezeichnungen gewöhnt sind.
Im vorliegenden Fall konnte der BGH zudem dem Titel „Stimmt`s?“ ein gewisses Maß an Originalität abgewinnen. Der von der ZEIT geltend gemachten Anspruch aus § 15 MarkenG hat folglich mangels Verwechselungsgefahr nie entstehen können. Der BGH sieht diese Gefahr nicht und weißt in seinem Urteil auf die Lebenserfahrung der Internetnutzer hin: Diese würden in aller Regel wissen, ob sie sich auf dem Internetportal von web.de befinden oder auf der Internetseite der Zeit.
Festzuhalten bleibt aber, dass es bei schutzfähigen Titeln für Teile einer Zeitung oder Zeitschrift, für die Frage der Verwechselungsgefahr, maßgeblich auf Form und Inhalt der medialen Einbettung der angegriffenen Bezeichnung ankommt, wobei unter anderem die typische Art der Präsentation der Beiträge (z.B. nur Text oder auch Bilder) erheblich ist.
Zum Thema „Werktitelschutz im Markenrecht“ besonderes lesenswert: Fezer, MarkenR, 4. Aufl., § 15 Rn. 238 ff.; Deutsch, GRUR 2000, 126 ff.; Fuchs, GRUR 1999, 460 ff.
Titelschutz: Ja! Verwechslungsgefahr: Nein!?
Die Klage der ZEIT, die es dem Internetportal web.de verbieten sollte eine Rubrik unter der Bezeichnung „Stimmt´s“ anzubieten, war auch beim BGH aus Mangel an Verwechslungsgefahr erfolglos. Bei erstem Betrachten ist das absolut nachvollziehbar. Die Voraussetzungen an Titelschutz und Verwechslungsgefahr sind ja schließlich nicht identisch. Für die Frage der Verwechslungsgefahr sollte es maßgeblich auf Form und Inhalt der medialen Einbettung der angegriffenen Bezeichnung ankommen. Der BGH verneinte hier eine mögliche Verwechslungsgefahr. Er argumentierte, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Teile der Leserschaft, dem der Kolumnentitel „Stimmt´s“ der ZEIT geläufig ist, und dem unter dem gleichen Titel die Rubrik im Internetportal von web.de begegnet, wegen der unterschiedlichen medialen Einbettung von einer nur zufälligen Übereinstimmung ausgehen und nicht annehmen wird, die hier wie dort unter dem gleichen Titel erscheinenden Beiträge seien Teil derselben Serie. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die Nutzer eines Internetportals nach der Lebenserfahrung in aller Regel wissen, wessen Informationsangebot sie gerade in Anspruch nehmen.
Doch ist das so? Schaut man sich die Begründung des BGH etwas genauer an, lässt sich insbesondere letzteres in Frage stellen. Gerade Internetportale wie web.de arbeiten an vielen Stellen mit anderen Informationsanbietern zusammen und beziehen deren Inhalte in ihren Internetauftritt mit ein. In Anbetracht dieser Tatsache, könnte es durchaus falsch sein zu behaupten, dass „die Nutzer einer Internetportals nach der Lebenserfahrung in aller Regel wissen, wessen Informationsangebot sie gerade in Anspruch nehmen.“
Ob der Bundesgerichtshof damit also eine besonders lebensnahe Entscheidung getroffen hat, mag dahingestellt bleiben. Wer auf einer Internet-Suchmaschine die Worte „Stimmt’s?“ eingibt, weil er die Kolumne der ZEIT sucht, und dann auf dem Angebot von web.de landet, könnte sich allerdings durchaus wundern, warum sein Suchtreffer nicht dem erwarteten Qualitätsanspruch genügt.