Die Überschuldung eines Unternehmens ist nicht zwangsläufig ein Grund für die Anmeldung einer Insolvenz. Alternativ stellt eine Verschmelzung mit einem anderen Unternehmen einen Weg aus der Überschuldung dar. Eine Verschmelzung mit einer überschuldeten Gesellschaft hat jedoch negative Auswirkungen auf das Vermögen und ggf. das Stammkapital der übernehmenden Gesellschaft. Typusabhängig sind dabei §§ 30 ff. GmbHG zur Kapitalerhaltung und § 57 AktG zur Kapitalbindung zu beachten.
Warum ist Verschmelzung für Konzerne attraktiv?
Im Jahre 2012 kam es, laut Statistischem Bundesamt, zur Anmeldung von ca. 30.000 Unternehmensinsolvenzen. Um einer Insolvenzanmeldung zu entgehen kann eine Sanierungsfusion durchgeführt werden. Bei einer Sanierungsfusion wird die überschuldete Gesellschaft aufgelöst wobei alle Rechtsverhältnisse durch ein solventes Unternehmen übernommen werden. Bei einer Verschmelzung werden der übertragenden Gesellschaft Anteile gewährt, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung geschaffen werden können. Probleme ergeben sich bei der Verschmelzung mit einem überschuldeten Unternehmen hinsichtlich der Überprüfung der Sacheinlage (hier: das übertragende Unternehmen) durch das Registergericht gem. § 55 Abs. 2 UmwG. Dieses überprüft, ob die Sacheinlage der Kapitalerhöhung entspricht. Erhöht die übernehmende Gesellschaft das Stammkapital und gibt Aktien aus, so steht dem Nennbetrag der Aktien eine, auf Grund der Überschuldung, relativ wertlose Sacheinlage gegenüber. Das wäre eine Unter-pari-Emission. In diesem Fall würde das Registergericht die Kapitalerhöhung ablehnen, wodurch auch die Verschmelzung gem. § 53 UmwG nicht vollzogen werden dürfte. In Folge einer Rechtsmodernisierung ist eine Verschmelzung nun ohne Kapitalerhöhung gem. §§ 54 Abs. 1 S. 3, 68 Abs. 1 S. 3 UmwG möglich. Hierbei entfällt die Gewährung von Anteilen. Die Verschmelzung von Konzerngesellschaften wird dadurch besonders erleichtert. Durch den Wegfall der Kapitalerhöhung erfolgt zudem keine Prüfung durch das Registergericht. Grundsätzlich ist damit eine Verschmelzung mit einer überschuldeten Gesellschaft möglich.
Warum können bei einer Verschmelzung dennoch Probleme auftreten?
Das Umwandlungsgesetz regelt die grundlegenden Voraussetzungen für die Verschmelzung von Gesellschaften. Unbeachtet bleiben dabei die gesellschaftsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Rechtsform, auf die die Übertragung stattfinden soll.
Verschmelzung mit Überschuldeter Gesellschaft – ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kapitalerhaltung?
Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung besteht gem. § 30 GmbHG der Grundsatz der Kapitalerhaltung. Das bedeutet sie muss ein Mindestvermögen in Höhe der Stammkapitalziffer aufweisen. Ziel des Grundsatzes ist der Gläubigerschutz. Nach § 30 GmbHG darf keine Leistung vorgenommen werden, die das Vermögen zum Erhalt des Stammkapitals verringert und den Gesellschaftern zu Gute kommt. Sind die Gesellschafter ganz oder teilweise identisch, besteht eine vorteilhafte Leistung in der Übernahme des Negativvermögens, da das Gesellschaftsvermögen im Insolvenzverfahren nicht unter den Gläubigern aufgeteilt wird, sondern die übernehmende Gesellschaft für die Schulden aufkommt. Dies würde dazu führen, dass eine solche Verschmelzung nicht zulässig wäre. Entgegen des Grundsatzes ist die Verschmelzung nach allgemeiner Rechtauffassung trotzdem legitim, sofern sie nicht zu einer Unterbilanz der GmbH führt. Findet die Verschmelzung innerhalb eines Vertragskonzerns nach § 291 AktG statt, gilt der Grundsatz laut § 30 Abs.1 S.2 GmbHG generell nicht.
Ähnliche Schwierigkeiten bei der Verschmelzung auf eine Aktiengesellschaft?
Eine Verschärfung des Kapitalerhalts findet durch § 57 AktG statt. Man nennt dies deshalb auch Kapitalbindung. Im Gegensatz zur GmbH ist es bei einer AG unerheblich ob die Leistung eine Unterbilanz begründet. Nach § 57 AktG sind jegliche Auszahlungen an Aktionäre, abgesehen von Dividenden, verboten. Dieses Verbot steht einer Verschmelzung mit einem überschuldeten Unternehmen generell entgegen. Ein Ausnahmetatbestand bildet § 57 Abs. 1 S. 3 AktG. Demnach besteht das Verbot nicht bei Leistungen, die im Rahmen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages erbracht werden. Findet die Verschmelzung daher innerhalb eines Vertragskonzerns statt, sind die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S. 3 AktG erfüllt. Unter diesen Umständen darf die Verschmelzung mit einer überschuldeten Gesellschaft vorgenommen werden. Grund für die Ausnahmeregelung ist die Verlustausgleichspflicht gem. § 302 Abs. 1 AktG der herrschenden Gesellschaft.
Bedeutung für die Praxis?
Die Verschmelzung einer überschuldeten Gesellschaft auf eine GmbH oder AG ohne Kapitalerhöhung ist nach Umwandlungsrecht grundsätzlich möglich. Jedoch sind hierbei auch die jeweiligen Vorschriften des AktG und GmbHG zur Kapitalerhaltung und -bindung zu beachten. Es ist dabei zwischen einem faktischen Konzern und einem Vertragskonzern zu unterscheiden. Besteht zwischen den Unternehmen ein Beherrschung- oder Gewinnabführungsvertrag, ist die Verschmelzung generell erlaubt. Andernfalls ist auf die Entstehung einer Unterbilanz bei der GmbH zu achten. Zusammenfassend bedarf der Vorgang der Verschmelzung einer umfassenden Prüfung, da die gesellschaftsrechtlichen Normen strenge Vorgaben festlegen.
Quellen:
Rubner/Leuering, Verschmelzung einer überschuldeten Gesellschaft, NJW-Spezial, 2012, S. 719-720.
Semler/Stengler, Kommentar zum Umwandlungsgesetz, 3. Auflage, 2012.
Stoye-Benk, Handbuch Umwandlungsrecht, 2. Auflage, 2008.
Wicke, Kommentar zum GmbHG, 2. Auflage, 2011.
Der Notar Prof. Dr. Heckschen beurteilt die Rechtslage, vor allem für Minderheitsgesellschafter der übernehmenden GmbH, bei einer Verschmelzung als problematisch, wenn die übernehmende Gesellschaft durch die Verschmelzung in die Insolvenz gerät. § 22 UmwG sieht zwar vor, dass dem Gläubiger binnen sechs Monaten nach der Eintragung der Verschmelzung in das Register des Registergerichts Sicherheit zu leisten ist, sofern der Gläubiger glaubhaft machen kann, dass die Erfüllung seiner Forderung gefährdet ist. Jedoch ist die Verschmelzung gem. § 20 UmwG bereits mit der Eintragung in das Register wirksam. Demnach kann der Minderheitsgesellschafter seine Forderungen nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend machen. Dieser Schutz sei nicht ausreichend. Prof. Dr. Heckschen empfiehlt aus diesem Grund den Gläubigerschutz vorzulagern, was bedeuten würde, dass vor dem Wirksamwerden der Verschmelzung die Sicherheit gegenüber dem Gläubiger zu leisten wäre. Regelungen dieser Art finden sich bereits in § 13 SEAG und § 122 j UmwG. [Heckschen in Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, Rn 334]