Der mit großem Presseecho geführte Gesellschafterstreit um den Suhrkamp-Verlag zeigt, welchen Schaden der Gesellschafterstreit einem Unternehmen zufügen kann. Die am 10.12.2012 durch das Landgericht Berlin gefällten Urteile sind nun durch das Landgericht veröffentlicht worden.
Sachverhalt
Dreh- und Angelpunkt der Streitigkeit ist ein Gesellschafterbeschluss aus der Konzernobergesellschaft des Suhrkamp-Verlags, einer GmbH. Die Geschäftsführerin der Konzernobergesellschaft ist gleichzeitig Vertreterin der mit 55 % beteiligten Mehrheitsgesellschafterin. Der streitende Mitgesellschafter ist mit 45 % an der Konzernobergesellschaft beteiligt. Die Konzernobergesellschaft ist alleinige Gesellschafterin von zwei Verlags-GmbHs, die jeweils die Komplementärstellung in zwei GmbH&Co KGs innehaben, die das Verlagsgeschäft betreiben. Kommanditisten beider GmbH&Co KGs sind die Gesellschafter der Konzernobergesellschaft, allerdings sind in den Kommanditgesellschaften die Beteiligungsverhältnisse anders: Dort hält die Mehrheitsgesellschafterin 61%, der Minderheitsgesellschafter 39%. Neben der Geschäftsführerin der Konzernobergesellschaften haben die Verlags-GmbHs jeweils noch zwei weitere Geschäftsführer (und Prokuristen, so dass das Tagesgeschäft des Verlages weitergeführt werden kann).
Streitgegenstand
Nun wurde der Geschäftsführerin vom Mitgesellschafter vorgeworfen, Räume in der eigenen Villa dem Verlag zu repräsentativen Zwecken überlassen zu haben und den Mitgesellschafter entgegen den Regelungen in der Satzung darüber nicht informiert zu haben und damit nicht nur gegen die Satzung, sondern auch eine Gesellschaftervereinbarung verstoßen zu haben. Deshalb beantragte der Mitgesellschafter, die Geschäftsführerin der Konzernobergesellschaft nicht zu entlasten, sie als Geschäftsführerin abzuberufen und die Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft anzuweisen, auch die Geschäftsführungen der Verlags-GmbHs abzuberufen. Der Antrag fand in der Gesellschafterversammlung – das ist naheliegend – keine Mehrheit. Dagegen wendete sich nun der Minderheitsgesellschafter, focht die Beschlüsse an und beantragte gleichzeitig, festzustellen, dass auf seinen Antrag (keine Entlastung, Abberufung der Geschäftsführerin) bei der Gesellschafterversammlung die Versagung der Entlastung und die Abberufung der Geschäftsführerin beschlossen worden seien.
Entscheidungsinhalt
Sowohl die Anfechtungsklage gegen den Beschluss, die Geschäftsführerin zu entlasten und sie nicht abzuberufen, als auch die sog. Beschlussfeststellungsklage hatten Erfolg. Das Landgericht hob den Beschluss, mit dem die Geschäftsführung entlastet wurde und ihre Abberufung nicht beschlossen wurde, auf. Gleichzeitig stellte es fest, dass auf der Gesellschafterversammlung der gegenteilige Beschluss gefasst worden sei, nämlich die Abberufung der Geschäftsführerin nebst Anweisung, auch in den Verlags-GmbHs die Geschäftsführung abzuberufen.
Entscheidungsgrundlagen
Die Entscheidung des Landgerichts beruht darauf, dass ds Landgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH davon ausgeht, dass die Geschäftsführerin selbst bei der Entscheidung über ihre Abberufung nicht stimmberechtigt war, auch nicht in ihrer Eigenschaft als Organmitglied der Mehrheitsgesellschafterin. Das konnte nach Auffassung des LG durch eine Vertretung der Geschäftsführerin in der Gesellschafterversammlung nicht umgangen werden. Den wichtigen Grund bejahte das Landgericht. Dies betraf auch die weiteren Geschäftsführer der Verlags-GmbHs, weil diese Kenntnis von dem mit den Interessen des Minderheitsgesellschafters nicht vereinbaren Vertragsschluss der Geschäftsführerin hatten.
Wie geht es weiter?
Ob diese Entscheidung Bestand haben wird, ist sehr zweifelhaft. Das geht von Fragen des Stimmverbots und der Vertretung bei der Abgabe der Stimme bis zu der Frage, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung überhaupt gegeben war. Berufung zum Kammergericht ist angekündigt, es bleibt spannend.
Ergänzend kann noch festgehalten werden, das Mitgesellschafter (hier u. a. Kläger) grundsätzlich treuwidrig handeln, wenn sie trotz vorliegen eines wichtigen Grundes den Geschäftsführer nicht abberufen oder (wieder)bestellen (BGH, Urteil vom 19.11.1990 – II ZR 88/89). Die Klage erfolgte also auch im Interesse des Mitgesellschafters Barlach auf Rechtssicherheit.
Eine Entlastung unterdessen kann auch durch unternehmerisches Ermessen gerechtfertigt werden. Liegt also ein wichtiger Grund vor, würde eine Abberufung des entsprechenden Geschäftsführers dem Unternehmen jedoch größeren Schaden zufügen, so kann hiervon abgesehen werden (Roth/Altmeppen, GmbHG, 2012, Rn. 62).
Wichtige Gründe zur Abberufung waren in der Vergangenheit u.a.:
Zahlung nicht genehmigter Gelder und Tätlichkeiten (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.03.1994 – 3 U 154/93), der Versuch Rechte von Mitgesellschaftern zu umgehen (BGH, Urteil vom 12.07.1993 – II ZR 65/92), die grobe Verletzung von Mitentscheidungsrechten bei Beschlüssen, die unabgestimmte Veranlassung einer „Sonderzahlung“ sowie der Vorwurf von Urkundenfälschung, Betrug und Rufschädigung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 04.05.1999 – 8 U 153/97).
Ja, die Verpflichtung des Gesellschafters zur Abberufung spielt – neben dem Stimmverbot – bei dem Sachverhalt sicher eine große Rolle. M.E. bestand allerdings im konkreten Fall nicht zwingend ein Stimmverbot, denn der Geschäftsführerin wurde nicht vorgeworfen, gegen das Gesellschaftsinteresse gehandelt zu haben, sondern, gegen eine Vereinbarung der beiden Gesellschafter verstoßen zu haben, in der Informationspflichten und Obergrenzen für Investitionen festgeschrieben wurden. Das betrifft nicht den Gesellschaftsvertrag oder auch nur das Gesellschaftsinteresse. Daher meine ich, dass man hier nicht unbedingt von einer Stimmpflicht ausgehen kann. Darüber lohnt es sich sicher, genauer nachzudenken.
Vielleicht möchten Sie dazu auch meinen Aufsatz in der NJW 2013, Heft 11 lesen – erscheint kommende Woche.
Jetzt ist das Urteil des Landgerichts durch das Kammergericht aufgehoben worden – die Brisanz ist allerdings durch das unterdessen durchgeführte Insolvenzplanverfahren gemindert: Der Plan zur Umwandlung des Verlags in eine AG ist Gegenstand anderer gerichtlicher Verfahren und beim BGH anhängig. Dort wird wohl nun über die Zukunft des Verlags entschieden.