Die Bundesregierung plant, mit dem Entwurf eines siebten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgestzes Presseverlagen das Recht einzuräumen, Lizenzgebühren von Dritten kassieren zu können, die ihre Inhalte gewerblich im Internet nutzen. Sowohl Google als auch das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht in München kritisieren das Gesetzesvorhaben scharf.
Der neue Leistungsschutz hat „unabsehbare negative Folgen“
Das Max-Planck-Institute veröffentlichte am 27.11.2012 eine Stellungsnahme zum neuen Leistungsschutzrecht, welche sowohl von dem GRUR-Fachausschuss Urheber- und Medienrecht als auch von 16 Jura-Professorinnen und -Professoren (u.a. Prof. Niko Härting, HWR Berlin) unterzeichnet wurde.
Der Stellungnahme zufolge kann davon ausgegangen werden, dass ein solches Schutzrecht in der Praxis wenig Bedeutung haben würde. Es sei nicht anzunehmen,
dass die Presseverleger dieses Verbotsrecht tatsächlich durchsetzen werden. Sie sind ganz im Gegenteil auf die Linksetzungen der Suchmaschinenbetreiber angewiesen, um die Leserschaft auf ihre Inhalte zu lenken. Dieses Interesse, von Suchmaschinen berücksichtigt zu werden, zeigt sich darin, dass es mit einfachen technischen Mitteln ohne weiteres möglich wäre, die heute üblichen Linksetzungen zu unterbinden. Presseverlage machen hiervon aber ersichtlich keinen Gebrauch.
So geht es nicht darum, die „geistigen Ergüsse“ der Verlage tatsächlich zu schützen sondern ihnen ledglich die Möglichkeit zu geben, Lizenzeinnahmen zu erzielen. Das Internet bzw. dessen Vielfalt liegt aber nicht in der umfassenden Tätigkeit einiger weniger großer begründet sondern ist gerade durch viele kleine Anwender und Anwendungen gestaltet, welche in nicht wenigen Fälle die Plattform des Internets nutzen, um finanziell effizient Anwendungen zur Verfügung zu stellen.
Das neue Verbotsrecht würde dem den Riegel vorschieben. Die neue Kostenstruktur hätte aber nicht die Folge, den Verlagen mehr Geld in die Kassen zu spülen.
Stattdessen würde auf deutsche Presseprodukte gar nicht mehr verlinkt, jedenfalls nicht unter Verwendung von Snippets [Textteile/-auszüge], die für effiziente Internetrecherchen jedoch elementar sind. Daran kann aber keine der beteiligten Parteien ein Interesse haben.
Die Stellungnahme kritisiert auch die unklare Reichweite des umstrittenen Verbotsrechts. Dies sei aber auch nicht weiter verwunderlich, da der Sachverhalt, der ihm unterliegen soll, rechtlich kaum zu umschreiben sei. In diesem Sinne ist der Gesetzesentwurf insgesamt nicht durchdacht und würde sich unter diesen Umständen stets zum Nachteil der deutschen Volkswirtschaft auswirken.
Google startet Kampagne gegen Leistungsschutzrecht
Auch Google hat sich in die Diskussion um das Leistungsschutzrecht eingeschaltet. Die beck-aktuell Redaktion berichtete am 27.11.2012 über die groß angelegte Kampagne. Unter dem Slogan „Verteidige dein Netz“ informiert Google über die Fakten und praktischen Folgen der etwaigen Gesetzesregelungen. Mit den Worten:
Ein Leistungsschutzrecht bedeutet weniger Informationen für Bürger und höhere Kosten für Unternehmen.
begründete Stefan Tweraser, Country Director von Google Deutschland, die Kampagne. Nach Aussage Googles hätten die meisten Bürger noch nie von dem von diesem Gesetzesvorschlag gehört. Dabei träfe ein solches Gesetz jeden Internetnutzer in Deutschland. Tweraser weiter:
Das Suchen und Finden, eine Grundfunktion des Internets, würde durch ein Leistungsschutzrecht gestört. Wir bitten die Internetnutzer, sich dafür einzusetzen, dass sie auch in Zukunft das finden, was sie suchen. Wir hoffen, dass der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf ablehnen wird.
Für Gegner des Leistungsschutzrechtes, die sich direkt an die Abgeordneten aus ihrem Wahlkreis wenden möchten, hat Google eine eigene «MdB-Landkarte» erstellt. Dort werden öffentlich zugängliche Kontaktinformationen der Parlamentarier und ihrer Büros zusammengefasst angeboten.
Grundsätzlich ist das Leistungsschutzrecht keine neue Erfindung im Urhebergesetz. In § 70 ff. UrhG werden Leistungsschutzrechte für Bilder, Tonträger, Filme und Datenbanken eingeräumt. Nicht jedoch für Verlage und deren Presseerzeugnisse. Allerdings ist die Schutzbedürftigkeit der Verlage sehr fragwürdig, denn schon jetzt ist der Verleger nicht hilflos gegenüber den Snippets der Suchmaschinen. Hat der Verleger nämlich ein ausschließliches Nutzungsrecht von dem Urheber des Artikels erworben kann der Verleger in eigenem Namen Unterlassungsansprüche geltend machen. Schwieriger wird es für die Verleger nur bei einfachen Nutzungsrechten. Außerdem ist es für den Presseverlag möglich sogenannte „Paywalls“ einzurichten, das heißt Inhalte werden nur nach der Zahlung einer Gebühr freigegeben.
Da der Entwurf des Leistungsschutzrechts Blogger und andere private Internetseiten, die ebenfalls Textpassagen von Nachrichten verbreiten und zugänglich machen, von der Zahlung einer „Lizenz“ ausnehmen will und größtenteils auf die Suchmaschinen abzielt, wird deutlich, dass bei diesem Schutzrecht nicht die Schutzbedürftigkeit der Verlage im Vordergrund steht. Insbesondere vor dem Hintergrund des Niedergangs der Printmedien und der sinkenden Werbeerlöse auf den Internetseiten der Zeitungsverlage soll mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage ein neues Erlösmodell geschaffen werden.
Sehr lesenswert zu diesem Thema auch: Prof. Dr. Malte Stieper, Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger nach dem Regierungsentwurf zum 7. UrhRÄndG in der ZUM Heft 1 2013.
Ein durchaus berechtigter Widerstand.
Selbst wenn man von den ganzen Unsauberkeiten im Referententwurf absieht (siehe z.B.: http://irights.info/?q=content/referentenentwurf-zum-leistungsschutzrecht-eine-erste-ausfuhrliche-analyse) muss man sich fragen: Was soll hier eigentlich erreicht werden?
Bei der Beantwortung dieser Frage wird einem schnell klar warum man bei dem Leistungsschutzrecht auch gerne von einem „Lex Google“ spricht. Es geht hauptsächlich um die gewerbliche Nutzung von sog. „Snippets“ (kleinere Textauszüge“), wie sie z.B. auf Google News zu sehen sind. Solche Angebote erlauben es dem Nutzer sich einen Überblick der Nachrichtenlage zu verschafft ohne x verschiedene Seiten ansurfen zu müssen. In diesem verlagsüberfreifenden Überblick bei einem Dritten besteht faktisch auch schon das „Hauptproblem“ der Verleger: Der Nutzer klickt u.U. die Seite der Verleger gar nicht mehr an. Daraus erwächst – mehr oder weniger – natürlich ein Interesse an dieser Stelle schon mitzuverdienen.
Von der Tatsache, dass sich Google aussperren ließe (siehe: http://support.google.com/webmasters/bin/answer.py?hl=de&answer=1061943) und die „Snipptes“ bzw. die jeweiligen Seiten so nicht in dem Angebot auftauchen würde, lässt man sich wenig bis gar nicht beeindrucken. Dies dürfte vorallem daran liegen, dass dies auch nicht wünschenswert ist, da sich durch Google und andere Aggregatoren die Reichweite der Verleger nicht nur unwesentlich erweitern dürfte.
Man wird wohl nur schwer den Eindruck los, dass die Verleger hier gewissermaßen „Cherry Picking“ betreiben (wollen) und die Debatte an sich doch eher fadenscheinigen als wirklich notwendig ist.
Verleger haben jahrelang von den Suchmaschinen profitiert und gleichzeitig den Schutz der Kommunikationsfreiheit aus Art. 5 GG genossen. Dabei ist schwer anzunehmen, dass die Presseverleger dieses Verbotsrecht tatsächlich durchsetzen werden. Ich sehe aber eine Missbrauchsgefahr der Willkür, wenn die Presseverleger diesen Anspruch nur gegen bestimmte Suchmaschienenbetreiber geltend macht, andere in ähnlicher Stellung aber nicht davon betroffen werden. Gleichzeitig würden sich viele Suchmaschinenbetreiber nicht zutrauen, das Risiko in Anspruch genommen zu werden, zu verwirklichen.
Spätestens werden wir Bürger den Nachteil am Gesetz merken, wenn der Zugang an Informationen erschwert wird. Dabei sind nicht nur Suchmaschienenbetreiber betroffen, sondern auch unser Alltag.
Was monatelang aus guten Gründen heftigst diskutiert wurde ist nun beschlossen – der Bundestag hat das Leistungsschutzrecht für Presseverlage am 01.03.2013 verabschiedet und es liegt nun auf Seiten des Bundesrates das Gesetz noch zu verhindern.
Beachtlich ist insbesondere, dass es kruzfristig noch zu einer entscheidenden Änderung des Entwurfes kam, die die rechtliche Wirkung des Gesetzes – sollte es des tatsächlich in Kraft treten – zumindest etwas entschärft. Demnach sollen nun auch künftig einzelne Wörter oder Textausschnitte lizenzfrei nutzbar sein.
In der Drucksache 17/11470 vom 27.02.2013 heißt es:
„Damit Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können, ohne gegen Rechte der Rechteinhaber zu verstoßen, sollen einzelne Wörter und kleinste Textaus- schnitte nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst sein.“
Es hagelt jedoch aufgrund der anhaltend unklaren Definition von „einzelnen Wörtern und Textausschnitten“ berechtigte Kritik. Die frühere Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) meint: „Jeder, der auch nur ein bisschen was vom Internet versteht, weiß, dass dieses Gesetz unsinnig ist.“
Es bleibt daher abzuwarten wie sich die weitere Vorgehensweise gestaltet und ob der Bundesrat anders entscheiden wird. Wünschenswert wäre dass der Blick der Politiker sich dabei zumindest auch auf andere europäische Modelle richtet, denn beispielsweise in Frankreich konnte kürzlich ein ähnliches Gesetzesvorhaben erfolgreich abgewendet werden.