Gewährt ein Gesellschafter seiner Gesellschaft ein Darlehen, so tritt der Anspruch auf Rückzahlung desselben nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO im Rang hinter den normalen Insolvenzgläubigern zurück. Ist im letzten Jahr vor der Insolvenzeröffnung eine Rückzahlung erfolgt, so ist diese nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar mit der Folge, dass die erhaltene Leistung zurückzugewähren ist. Dieser Rechtsfolge hat sich ein Gesellschafter dadurch zu entziehen versucht, dass er den Anspruch auf Rückzahlung an einen Dritten abgetreten hat. In der Tat haftet der dann nach Auffassung des OLG Stuttgart vom Februar 2012 nicht mehr für die Rückzahlung, wenn der Zessionar eine Zahlung erhalten hat. Dieser allerdings muss die Leistung zurückgewähren.
Worum ging es?
Die Beklagte war Gesellschafterin einer GmbH, die Kommanditistin einer GmbH&Co KG und gleichzeitig alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH war. Die GmbH&Co KG ging in die Insolvenz. An dieser war die Beklagte gar nicht beteiligt.
Im Vorfeld hatte die Beklagte der GmbH&Co KG einen Kredit in erheblicher Höhe (die Klagesumme betrug über 500.000 €) gewährt. Den Rückzahlungsanspruch trat sie fünf Monate vor Insolvenzeröffnung ab, die Zessionarin erhielt drei Monate vor Insolvenzeröffnung eine Rückzahlung. Den Rückzahlungsbetrag verlangte nach Insolvenzeröffnung der Verwalter von der Beklagten.
Hatte die Beklagte ein Gesellschafterdarlehen gewährt?
Die Beklagte war ja selbst nicht Gesellschafterin der insolventen GmbH&Co KG. Dennoch ging das OLG Stuttgart – zu Recht – davon aus, dass auch die Darlehensgewährung durch Dritte als Gesellschafterdarlehen qualifiziert werden kann. Das hatte der BGH bereits im November 2011 klargestellt. Der Anwendungsbereich der Regelungen zu Gesellschafterdarlehen sollte durch das MoMiG, das 2008 die Rechtslage zu Gesellschafterdarlehen erheblich modifiziert hatte, nicht verändert werden. Es kommt darauf an, ob das Darlehen wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen gleichsteht. Das ist nicht immer der Fall, wenn es von dem Gesellschafter nahestehenden Personen gewährt wird, wohl aber dann, wenn eine gesellschaftsrechtliche – vertikale oder horizontale – Verbindung zwischen dem Darlehensgeber (hier der Beklagten) und dem Gesellschafter besteht.
Verändert die Abtretung die Rechtslage?
Jedenfalls dann, wenn die Abtretung innerhalb der Jahresfrist des § 39 InsO erfolgt, verändert sich die Qualifikation als Gesellschafterdarlehen nicht dadurch, dass die Forderung abgetreten wird. Das ergibt sich aus § 404 BGB, wonach bei einer Abtretung die Einwendungen erhalten bleiben. Das gilt auch für die Einwendung, dass das Darlehen nachrangig ist. Diese Regelung wird nun durch das OLG Stuttgart auch auf die Frage angewendet, ob die Rückzahlung anfechtbar ist. Das ist nach demWortlaut des § 404 nicht ganz klar, denn die Nachrangigkeit begründet vor der Insolvenzeröffnung keine Einwendung, die Zahlung hätte also nicht verweigert werden dürfen. Daher ist auch streitig, ob wirklich die Anfechtbarkeit gegenüber dem neuen Gläubiger geltend gemacht werden kann – in der hier besprochenen Entscheidung des OLG Stuttgart werden die Gegenauffassungen auch ausführlich referiert.
Das OLG entscheidet sich aber dafür, die insolvenzrechtliche Verstrickung der Forderung, auch wenn sie erst nachträglich entsteht, als Einwendung nach § 404 BGB anzusehen. Es weist zu Recht darauf hin, dass anderenfalls nicht klar sei, was die Rechtsfolge sein könnte, weil dasjenige zurückzugeben ist, das „aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist“- § 143 InsO. Dieses hat die Gesellschafterin, die ja eine Rückzahlung gerade nicht erlangt hat, nicht erhalten, kann es also auch nicht zurückgeben.
Von der Frage, ob § 404 auf das abgetretene Gesellschafterdarlehen anwendbar ist, hängt ab, ob vom Zessionar die Rückzahlung verlangt werden kann. Anderenfalls wäre die Rückzahlung vom Gesellschafter, hier also von der Beklagten, zu verlangen gewesen.
Haftung des Gesellschafters neben dem Zessionar?
Das OLG Stuttgart hat weiter überlegt, ob die Gesellschafterin evtl. neben dem Zessionar auf Rückzahlung haften könnte. Dann könnte eine gesamtschuldnerische Haftung der beiden Vertragspartner des Abtretungsvertrags bestehen. Dies hat es mit der Begründung abgelehnt, die Gesellschafterin hätte nicht nur nichts erlangt, die Zahlung sei auch nicht auf ihre Weisung oder sonst auf ihre Veranlassung hin erfolgt.
Praxisfolge?
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Es sollten daher in Forderungskaufverträgen erst einmal Regelungen getroffen werden, die der unklaren Rechtslage Rechnung tragen. Der Insolvenzverwalter kann nicht ohne weiteres nur den Gesellschafter in Anspruch nehmen, sondern sollte bis zur höchstrichterlichen Klärung gegen den Zessionar und den Zedenten gleichermaßen vorgehen, um die Verjährungsfolge zu vermeiden (Streitverkündung).
Vor Inkrafttreten des MoMiG wurden Ansprüche aus einem abgetretenen Gesellschafterdarlehen dann als eigenkapitalersetzend qualifiziert, wenn sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits in der Krise befand. Dies stellte eine Einwendung i.S. des § 404 BGB dar. Durch den Wegfall des Tatbestandsmerkmals der „Krise“ war unklar, wann ein abgetretenes Gesellschafterdarlehen nachrangig und damit seine Rückzahlung anfechtbar war. In der Literatur gab es dazu die unterschiedlichsten dogmatischen Ansätze, insbesondere über den zeitlichen Rahmen einer etwaigen Nachrangigkeit. Insofern ist die Entscheidung des OLG Stuttgart zu begrüßen, da nun klargestellt wurde, dass § 404 BGB auf Forderungen aus Gesellschafterdarlehen, die innerhalb der Jahresfrist von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO abgetreten werden, anwendbar ist. Das entspricht damit auch weitgehend alter Rechtslage, die der Gesetzgeber durch das MoMiG wohl auch nicht verändern wollte. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Unklarheiten darüber, gegen wen die Anfechtung durchsetzbar ist. Das OLG entschied sich diesbezüglich zwar für den Zessionar. Für eine Anfechtung gegen den Gesellschafter würde allerdings sprechen, dass dieser im Verhältnis zur Darlehensrückzahlung durch die insolvente Gesellschaft selbst, zumindest wenn ihm durch die Veräußerung und Abtretung der Darlehensforderung an den Zessionar i.S. von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO „Befriedigung gewährt“ wurde, weitestgehend wirtschaftlich gleichgestellt ist. Für eine Anfechtbarkeit gegenüber dem abtretenden Gesellschafter spricht auch, dass der Zessionar zum Zeitpunkt der Abtretung weitaus weniger Einblick in die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft hatte. Bei der Würdigung dieser Frage sind jedenfalls die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Es ist daher zu hoffen, dass der BGH mit der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde, die noch unter dem Az. IX ZR 32/12 anhängig ist, bald für Rechtssicherheit sorgt.