In Folge der Griechenland-Krise waren sie in aller Munde: die Eurobonds. Seither erfreuen sie sich großer Medienpräsenz und es wird leidenschaftlich über sie diskutiert. Umstritten ist jedoch nicht allein deren Zweckmäßigkeit, sondern u.A. auch deren Vereinbarkeit mit Art. 125 I AEUV. Im folgendem Beitrag soll Aufschluss darüber gegeben werden, was genau hinter dem Konstrukt „Eurobond“ steckt und in wie fern es dieser Norm entgegensteht.

Eurobonds sind Anleihen, die auf internationaler Ebene innerhalb des Euro-Raums ausgegeben werden. Beteiligt sind auf der Gläubigerseite natürliche und juristische Personen, die als Kapitalgeber agieren. Auf der Schuldnerseite stehen die EU-Mitgliedstaaten als Kapitalnehmer. Den Interessengruppen zwischengelagert ist ein Intermediär in Form einer rechtsfreien Zweckgesellschaft. Diese dient als eine Art Geldspeicher: Ihre Aufgabe besteht allein darin, die Euro-Bonds auszugeben und die Finanzmittel ordnungsgemäß an die  Kreditnehmer zu verteilen. Doch wer haftet für die für die Rückzahlung der Kredite? Hier sind bisher drei Ausgestaltungen vorstellbar: Die Gesamtschuldnerische Haftung, bei der jeder Mitgliedsstaat zur Tilgung der kompletten Eurobondsumme herangezogen werden kann. Die Teilschuldnerische Haftung, bei der die Haftung auf die jeweiligen Kapitalbeteiligungsquote an der EZB beschränkt wird (z.B. Deutschland: 19%). Und die individuelle Haftung, bei welcher der jeweilige Mitgliedsstaat in dreifacher Höhe seiner aufgenommenen Kreditsumme haftet.

Trotz dieser vielfältigen Ausgestaltungs-Möglichkeiten, ist es gerade die Haftung, die den Juristen europaweit Kopfzerbrechen bereitet. Grund dafür ist Art.125 I AEUV, der den einzelnen EU-Staaten verbietet für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten zu haften oder einzutreten. Bei extensiver Auslegung dieser Regelung als strickte Verbotsnorm, würde das folglich zur Unzulässigkeit der Eurobonds führen.

Deswegen ist es notwendig eine teleologische Auslegung vorzunehmen. Der literarischen Meinung entsprechend, liegt der Schutzzweck der Norm darin, einen Überschuldungs-Anreiz zu vermeiden. Dieser würde dadurch entstehen, dass die Gläubiger eines überschuldeten Mitgliedstaates andere EU-Staaten zur Tilgung heranziehen könnten Ein Prinzip, dass mit einer Bürgschaft vergleichbar wäre. Die Überschuldung würde so in keiner Weise sanktioniert werden. Die Korrektur der Haushaltspolitik wäre unattraktiv – weitere Schulden aufzunehmen hingegen sehr reizvoll. Demnach soll der Art 125 I AEUV den Teufelskreislauf einer automatischen Haftung abwehren. Die EU-Länder sollen nicht in bestehende Schuldverhältnisse verschuldeter Mitgliedstaaten eingreifen und somit als Bürgen agieren. Vorstellbar ist hingegen das (freiwillige) Bereitstellen von Finanzmitteln zur Tilgung konkreter Verbindlichkeiten, wie es bei der Griechenlandhilfe der Fall war. Der überschuldete Staat wird auf diesen Weg nicht entschuldet – es verschiebt sich lediglich die Gläubigerstellung. Bleibt zu klären, ob Eurobonds in Folge dieser Differenzierung eine solche legitime Kreditgewährung darstellen. Um Kredit über Eurobonds aufnehmen zu können, muss lediglich die Informationspflicht eingehalten werden. Es bedarf jedoch keiner Bewilligung durch die andern Mitgliedstaaten. Jeder Mitgliedsstaat kann demnach unbegrenzt verbilligte Kredite aufnehmen, für dessen Tilgung die EU haftet. Es entsteht ein unzulässiges Haftungskonstrukt. Auch eine Haftungsbeschränkung durch teilschuldnerische oder individuelle Haftung ändert nichts an der bürgschaftsähnlichen Situation, die Art. 125 I AEUV vermeiden möchte. Demnach sind Eurobonds auch nach teleologischer Auslegung unzulässig.

Im Ergebnis bedeutet das, dass weder eine extensive noch eine enge Auslegung des Art.125 I AEUV eine europarechtliche Zulässigkeit von Eurobonds begründen können, und die Einführung somit nur durch eine Vertragsänderung ermöglicht werden kann.

Weiterführende Informationen und detailliertere Ausführungen zu dieser Thematik, bietet der Artikel „Verfassungs- und europarechtliche Zulässigkeit von Eurobonds“ von von Prof. Dr. h.c. Werner Heun und Dr. Alexander Thiele – veröffentlicht in Ausgabe 20.2012 der Juristen Zeitung.