Allein aus der Stellung als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft ergibt sich keine Garantenpflicht gegenüber außenstehenden Dritten, eine Schädigung ihres Vermögens zu verhindern.
Weniger Sorgfaltspflichten für Geschäftsführer?
Der BGH hatte im Urteil vom 10.07.2012 zu entscheiden, ob ein nicht aktiv beteiligter Geschäftsführer einem Kundenunternehmen Schadensersatz schuldet, wenn ein weiterer Geschäftsführer dem Vorstand des Kundenunternehmens Beihilfe zur Untreue leistet.
Wie dem Titel dieses Beitrags bereits zur entnehmen ist, scheidet eine Haftung des Geschäftsführers für drittseitige Vermögensschäden grundsätzlich aus. Die Garantenpflicht besteht nur ausnahmsweise, wenn der Täter rechtlich verpflichtet ist, den deliktischen Erfolg abzuwenden, wofür ein besonderer Rechtfertigungsgrund festgestellt werden muss.
Welche Konsequenzen diese Entscheidung hat, lässt sich anhand dieser gelungenen Einordung absehen.
Garantenpflicht des Compliance-Officers
Anders stellt sich die Situation für den „Compliance-Officer“ dar, dessen Aufgabengebiet es ist, Rechtsverstöße, insbesondere auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können, zu verhindern. Der BGH entschied, dass diesen regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht i.S. des § 13 Abs. 1 StGB trifft, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies sei die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.
Zu Vertiefung findet sich bei Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 ff. ein interessanter Beitrag zur Garantenstellung des Compliance-Officers.
Da die Arbeit in einer Compliance-Abteilung durchaus auch für Wirtschaftsjuristen in Frage kommt, findet der interessierte Leser bei
- Schulz/Renz, BB 2012, 2511
- Tüllner/Wermelt, BB 2012, 2551
- Moosmayer, NJW 2012, 3013
ausführliche Beiträge rund um das Berufsbild „Compliance“.
Dieses Urteil wird vor allem die Literatur wohlgesonnen stimmen. Konnte man in der Vergangenheit noch einen verschärften Disput zwischen der Literaturmeinung und der des VI. Senats des BGH erkennen, scheint sich letzterer nun rechtsdogmatisch anzunähern.
Ursprung der Diskussion war eine Entscheidung des VI. Zivilrechtssenats aus dem Jahr 1989 („Baustoff-Entscheidung“, BGH, Urteil v. 05.12.1989, Az. VI ZR 335/88), die vermuten ließ, dass aus der internen Leitungspflicht eines Geschäftsführers, eine externe Verkehrspflicht folgt. Somit sollte der Geschäftsführer einer Gesellschaft bei Verletzung seiner allgemeinen Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation nicht nur nach innen haften, sondern auch generell gegenüber Dritten nach außen, wodurch eine allumfassende Garantenstellung des Geschäftsführers vorläge.
Diese sollte der Literaturmeinung nach aber nur in bestimmten Fällen, beispielsweise bei der Verletzung hochwertiger Rechtsgüter wirken, sich nicht jedoch bereits aus der allgemeinen Leitungsfunktion ergeben. Geschäftsführer könnten sonst regelmäßig bei jedweder Schädigung Dritter, persönlich in Anspruch genommen werden.
Im erwähnten Urteil v. 1989 wurde eine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer Bauträger-GmbH angenommen, bei der durch Mängel bei der Organisation, Lieferanten nicht bezahlt werden konnten und die Firma insolvent ging. Der Geschäftsführer des Unternehmens hatte durch Urteil persönlich aus Eigentumsverletzung (§ 823 BGB) zu haften, da der BGH eine Garantenpflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter annahm.
Glücklicherweise revidierte der VI. Zivilrechtssenat des BGH in der im Artikel genannten Entscheidung indirekt seine frühere Haltung und gibt eine Garantenhaftung nur noch unter besonderen Anspruchsgrundlagen vor. Somit geht nicht nur ein über 20 Jahre andauernder Streit zwischen Rechtssprechung und herrschender Literaturmeinung zu Ende, sondern auch die Sorge vieler Geschäftsführer, denen es m.E. nicht zugemutet werden konnte, als Universalgarant für die Schäden ihrer „Kollegen“ nach außen haftbar gemacht zu werden.