Der erste Senat des BVerfG hat am 11.7.2012 der Macroton-Entscheidung des BGH widersprochen und deutlich gemacht, dass seiner Auffassung nach die Entscheidung einer Aktiengesellschaft, sich vom geregelten Börsenhandel zurückzuziehen, nicht das Eigentumsgrundrecht der Aktionäre betrifft. Der BGH hatte im Jahr 2002 für das Delisting gegenteilig entschieden und deshalb verlangt, dass mit dem Delisting ein Pflichtangebot über die Erstattung des vollen Wertes des Aktieneigentums und ein Hauptversammlungsbeschluss erforderlich sind. Der Widerspruch in der Begründung ist jedoch keiner im Ergebnis: Die durch die Fachgerichte zum Delisting entwickelte Rechtsfortbildung sei mit dem Grundgesetz vereinbar und als Gesamtanalogie aus §§ 305, 320b, 327b AktG, §§ 29, 207 UmwG statthaft.
In seiner Macroton-Entscheidung aus dem Jahr 2002 hatte der BGH eine Abgrenzung vorgenommen und das Delisting als Eingriff in das Aktieneigentum qualifiziert und daher nicht nur einen Hauptversammlungsbeschluss, sondern auch ein Pflichtangebot des Hauptaktionärs an die übrigen Aktionäre verlangt. Der II. Senat hatte damit eine Differenzierung gegenüber der sog. Holzmüller-Rechtsprechung vorgenommen, wonach ein Eingriff in die Innenstruktur des Unternehmens, bei dem die Beteiligungsrechte der Aktionäre geschmälert werden (Mediatisierung) eines Hauptversammlungsbeschlusses bedürfe. In Holzmüller-Fällen sei dies aus § 119 II AktG herzuleiten; das dem Vorstand grundsätzlich zustehende Ermessen, ob er Fragen der Geschäftsführung der Hauptversammlung zur Entscheidung vorlege sei hier wegen des Eingriffs in die Aktionärsrechte eingeschränkt.
Für das Delisting hatte der BGH eine andere Begründung gewählt und – unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG – darauf abgestellt, dass Aktienbesitz vom Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG erfasst sei. Das betreffe nicht nur die Aktionärsstellung insgesamt, sondern auch die freie Handelbarkeit der Aktie an einer Börse, weil diese durch die leichte Deinvestitionsmöglichkeit dem Aktionär ermögliche, den Wert seiner Anlage jederzeit zu realisieren. Mit dem Rückzug von der Börse würde diese Möglichkeit und damit die Verwertbarkeit des Aktieneigentums eingeschränkt.
Das BVerfG argumentiert nun anders und stellt klar, dass zwar das Aktieneigentum, nicht aber die jederzeitige Realisierbarkeit des Werts einer Kapitalanlage vom Eigentumsgrundrecht erfasst sei. Dieser Wert sei als Marktchance und damit als wertbildender Faktor nicht selbst Bezugspunkt für das Eigentumsgrundrecht.
Grundsätzlich wird der Meinung des BVerfG in der Weise zugestimmt, als dass die Möglichkeit der gesteigerten Verkehrsfähigkeit der Aktie am regulierenden Markt kein Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten Anteilseigentums darstellt.
Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Funktionsfähigkeit eines Marktes und die mit ihr einhergehenden Veräußerungschancen der Aktie, an der Bestandsgarantie des Art. 14 I GG teilhaben zu lassen. Der Aktionär verliert durch das Delisting weder seine in der Aktie verkörperte Rechtsposition, noch wird diese in der Substanz verändert. Dies wäre vergleichsweise bei einem Squeeze-Out oder Abschluss eines Beherrschungs-und Gewinnabführungsvertrages der Fall. Des Weiteren besteht kein Anspruch des Aktionärs auf Zulassung zum Börsenhandel im regulierten Markt, auch wenn ihn dessen Auswirkungen durchaus betreffen können.
Die Entscheidung des BVerfG lässt hingegen die Frage offen, wie künftig zu verfahren ist, wenn eine Verfassungsbeschwerde mit dem im Delisting regelmäßig einhergehenden Kursgefälle begründet wird. Der Gedanke, dass ein zu hoher Kursverfall an der Substanz es Aktieneigentums rüttelt, lässt sich wohl nicht von der Hand weisen.